Was ist Werkstattunterricht?

 

 

Die Lernenden können innerhalb eines von der Lehrperson gesteckten Rahmens selber entscheiden über:

  • Auswahl der Lernangebote
  • Art und Umfang des zu bearbeitenden Stoffes
  • Reihenfolge der Auftragsbearbeitung
  • Arbeitstempo
  • Wahl der Lernpartner

Da im Schulzimmer nebeneinander an verschiedenen Arbeitsplätzen und an unterschiedlichen Aufgaben gearbeitet wird (wie in einer Werkstatt), wurde dieser Form des individualisierenden Unterrichtes die Bezeichnung «Werkstattunterricht» gegeben. Ein Unterrichtsthema wird von der Lehrkraft in eine Vielzahl von Lernaufgaben aufgelöst. Aufträge und die Materialien sind von der Lehrperson vorbereitet und strukturiert. Die Qualität des Unterrichtes wird weitgehend durch die Qualität der Arbeitsaufträge bestimmt.

Formen des Werkstattunterrichtes

a) Nach Lernabsicht

  • Übungswerkstatt
    (Training einer bestimmten Fertigkeit)
  • Erfahrungswerkstatt
    (Experimente, Beobachtungsaufgaben, Spiele, Lernsituationen)
  • Erkenntniswerkstatt
    (bei der Bearbeitung sollen wichtige Erkenntnisse zu einem Thema entstehen können.

b) Nach Unterrichtsstruktur

  • Einstiegswerkstatt
    (Beginn eines neuen Themas, erste Begegnung)
  • Erarbeitungswerkstatt
    (Unterrichtsstoff wird umfassend erarbeitet)
  • Vertiefungswerkstatt
    (nach der Behandlung eines Themas werden Lernaufgaben zur Vertiefung angeboten.

Wie macht man Werkstattunterricht?

In einem breiten Lernangebot werden die verschiedensten Lernkanäle angesprochen. Die Arbeitsaufträge umfassen möglichst unterschiedliche Tätigkeiten: z. B. spielen, sprechen, schreiben, ordnen, basteln, lesen, hantieren. Sie erfordern den Einsatz von verschiedenen Medien (Tonband, Bücher, Karten, Spiele, Computer, Video, Bilder usw.).

Die Aufträge werden auf Arbeitskarten notiert und so formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler selbständig arbeiten können. Das zur Lösung notwendige Material liegt bei, damit die Arbeiten selbständig kontrolliert werden können. Lernende lösen Aufträge nach eigener Wahl allein, zu zweit, oder in Gruppen in freier Reihenfolge. Jeder Schüler erhält einen Arbeitspass, in welchem die Lehrkraft nach erfolgreicher Beendigung einer Aufgabe eine Bestätigung einträgt. Einzelne, besonders wichtige Lernaufgaben können für alle Schülerinnen und Schüler zur Pflichtaufgabe erklärt werden.

Phasen des thematischen Werkstattunterrichtes

  • Interesseweckung
    Sie erfolgt gemeinsam. Dazu eignen sich Erstaunliches, Faszinierendes, Nachdenkliches, Schockierendes, Erlebnisse, Erfahrungen.
  • Organisation und Vorbereitung
    Die Organisation ist der Grundstein für die Individualisierungsphase. Man gibt zu Beginn einen überblick über die Werkstattarbeit. Die gemeinsamen Ziel werden bekanntgegeben. Die einzelnen Lernangebote werden an ihren Standort vorgestellt. Die Formulierung der Aufträge soll so einfach wie möglich formuliert werden. Die Ergebnisse werden in einem Heft notiert oder auf Ordnerblätter geschrieben, welche in einer Mappe abgelegt werden.

Individuelles und gemeinsames Arbeiten
Das Verhalten wird gemeinsam geklärt und abgemacht.
Vorschläge

  • • Wir reden im Flüsterton.
  • • Wer gestört wird, teilt es dem Urheber direkt mit.
  • • Niemand gibt auf. Angefangene Arbeiten werden fertiggestellt.
  • • Verwendetes Material versorgen wir am richtigen Ort.
  • • Pflichtposten müssen gelöst werden.
  • • Wir halten alle Ergebnisse fest.
  • • Der Arbeitspass wird ausgefüllt.

Gemeinschaftsarbeit findet zu Beginn einer neuen Arbeitsphase statt. So werden Fragen geklärt, eine Arbeitstechnik besprochen oder an einem bestimmten Thema gearbeitet. Der Abschluss der individuellen Phase kann durch ein Gespräch abgeschlossen werden, Es können auch Darbietungen oder Vorstellungen der Arbeiten erfolgen. Weiter werden unbeherrschte Arbeitstechniken besprochen oder vertieft und Probleme und Störungen geklärt.

  • Auswertung
    Während der Individualisierungsphase findet laufend eine Zwischenauswertung statt. Sie zeigt die Qualität der geleisteten Arbeit oder weist auf Probleme hin. Mit der Endauswertung können die thematischen Lernziele überprüft werden. Bedeutend ist die Reflexion der Arbeit und des Lernprozesses. Die erstellten Arbeiten können fortlaufend an einer Wand aufgehängt und besprochen werden. Die schriftlichen Arbeiten können von der Lehrkraft anhand eines Beurteilungsblattes bewertet werden. Weitere Möglichkeiten sind individuelle mündliche und schriftliche Prüfungen zu durchgeführten Werkstattposten oder die Beurteilung eines gehaltenen Vortrages über einen Posten. Attraktive Formen der Schlussauswertung sind Ausstellungen oder Vorführungen für andere Klassen oder Eltern.
  • Freie Arbeitsphase
    ... ermöglicht, wachgewordene Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Phase muss nicht unbedingt erfolgen.

Grenzen und Risiken des Werkstattunterrichtes

Lernende mit unstabiler Arbeitshaltung und wenig eigenem Lernantrieb sind stark gefordert, oft sogar überfordert. Sie benötigen Hilfestellung. Das grosse Lernangebot kann Verwirrung stiften und zur Schnellarbeit verleiten. Lernende brauchen Zeit, diese Arbeitsform kennenzulernen. Die Lehrkraft hat einen grossen Vorbereitungsaufwand zu betreiben, sie wird auch während des Unterrichtes stark gefordert.

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Datum: 29.07.2009
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