Beratungsforum 2019 "Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit"

Beratungsforum 2019
© DKJS | A. Weiland

Der geplante Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuungs- und Bildungsangebote für Grundschulkinder bis zum Jahr 2025 belebt und erweitert derzeit die Diskussion um Qualität im Ganztag. Aber wie sehen nach zehn bis 15 Jahren die Rahmenbedingungen für den Ganztag aus? Wie schaffen es Schule und externe Partner, ihre Zusammenarbeit erfolgreich zu gestalten? Darüber tauschten sich nun beim Beratungsforum des Programms Ganztägig bilden in Berlin 150 Vertretende aus den Ländern, Schulverwaltung, Wissenschaft, Schule und Jugendhilfe aus.

 

Kooperation 2.0 angesichts zahlreicher Herausforderungen

In der von Bildungsjournalist Armin Himmelrath moderierten Gesprächsrunde diskutierten verschiedene Professionen das Thema Kooperation. Angesichts von Herausforderungen wie Fachkräftemangel sowie Raum- und Zeitnot seien für Schulen der Austausch und die Kooperation mit externen Partnern wichtiger denn je, sagte Michael Rißmann vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Inzwischen habe sich im Ganztag die Zusammenarbeit deutlich verbessert: „Wir sind im Zeitalter Kooperation 2.0 angekommen“, so Rißmann. Aufgabe der Verwaltung sei es, die verwalterischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine gelingende Zusammenarbeit zu schaffen. Vor dieser Aufgabe sehen sich auch Kommunen: „Wir brauchen ein konsistentes System, damit alle Kinder ein gutes Angebot an Schule bekommen“, sagte Monika Ripperger der Stadt Frankfurt am Main, die als Kommune an einem solchen Konzept arbeitet.

In 12 Workshops verständigten sich die Teilnehmenden vertiefend zu Themen wie Kooperation und Jugendhilfe, Rollen von Schulsozialarbeit, Räume und Raumnutzung oder Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses. Dass durch den Ganztag Schule immer mehr zum Lebensort wird, der sowohl entsprechende pädagogische Konzepte als auch Räume wie Raumnutzung braucht und welcher Rolle dabei der Schulsozialarbeit zukommt, beleuchteten Guido Gulbins vom Senat für Kinder und Bildung Bremen und Oggi Enderlein von der Initiative für Große Kinder e.V.

 

Nicht über die Jugendlichen, sondern mit den Jugendlichen entscheiden Kooperation aus Sicht der Schülerinnen und Schüler

Was heißt aus Sicht der Kinder und Jugendlichen eigentlich gute Kooperation im Sinn einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe? Wie entsteht eine Kultur allseitiger Wertschätzung und Anerkennung, um für eine positive und offene Atmosphäre zu sorgen, in der alle Beteiligten das Gefühl bekommen, sich frei äußern zu können? Zu diesen Aspekten tauschten sich Jugendliche des SV-Bildungswerks mit Teilnehmenden des Beratungsforums aus. Denn Schule, wie sie jetzt überwiegend funktioniere, so Kira aus Bremen, sei ein Bewertungsraum, wo kontinuierliche Performance erfordert werde, sowohl auf inhaltlicher als auch auf sozialer Ebene. Das führe zu einer Konkurrenz unter den Schülerinnen und Schülern. Es sei wichtig, dass im Ganztag dieser Leistungsdruck nicht auch noch in den Nachmittag verlängert werde. „Es sollte möglich sein, Schule als Lebensraum selbst auch zu gestalten“, sagte Jette vom SV-Bildungswerk. Um das zu erreichen, müsse man seine Denkweise und seine Haltung zu Schule und wie Bildung funktionieren soll, ändern, und dazu brauche es es entsprechende Akteure und Best Practice Beispiele, ergänzte der 15-jährige Finn. „Je mehr wir einbezogen werden, desto höher ist am Ende auch die Motivation und die Akzeptanz für das, was wir gemacht haben im Unterricht und auch außerhalb“, Emily, 19 Jahre.

Denn: „Unterricht ist nicht für Lehrer da, sondern für Schüler und Schülerinnen.“

 

Fachimpulse: Förderung von Interprofessionalität in einem integrierten Ausbildungsformat ...

Wie sich die Förderung von Interprofessionalität in ein integriertes Ausbildungsformat übersetzen lässt, darüber berichtete Prof. Dr. Till-Sebastian Idel von der Universität Bremen. Gemeinsam mit dem Landesinstitut für Schule in Bremen gestaltet er eine Modulreihe zur Multiprofessionalität in der Ganztagsschule. Das Format bietet jährlich Fachschülerinnen und Fachschülern der beruflichen Sek II Zentren für Sozialpädagogik, Studierenden der Sozialen Arbeit der Hochschule Bremen sowie Lehramtsstudierenden der Uni Bremen bereits im Rahmen der regulären Ausbildung die Möglichkeit, ein professionsübergreifendes Wahlpflichtangebot zu nutzen und schon während der Ausbildung bzw. des Studiums Einblicke in die Ganztagsschule zu erhalten. Möglich geworden, so betonte Prof. Idel, sei diese Ausbildung nur durch die Unterstützung der Serviceagentur Ganztägig lernen/Ganztägig bilden. Obwohl in Bremen diese Modulreihe bereits seit sieben Jahren erfolgreich angeboten wird, gibt es bisher kein vergleichbares integriertes Ausbildungsformat in anderen Bundesländern.

 

... und Praxisbeispiele aus internationalen Schulsystemen

Prof. Dr. Anne Sliwka, Bildungswissenschaft Universität Heidelberg, zeigte anhand internationaler Beispiele, wie Bildungschancengleichheit erreicht werden kann: Wir müssen eine gemeinsame Sprache sprechen und gemeinsame Ziele formulieren. Denn ohne sich gemeinsam auf ein Ziel zu verständigen, käme man nicht an. PISA-Spitzenländer wie Singapur, Finnland, Japan, Kanada oder Estland hätten sich auf Bildung als gesellschaftlichen Entwicklungsfaktor verständigt und entsprechende Maßnahmen ergriffen, wie etwa in Kanada ein datenbasiertes Bildungsmonitoring an Schulen mit entsprechenden Reaktionen noch im gleichen Schuljahr durch sofortige Unterstützung der Schüler, die es bräuchten. Denn das gemeinsame Ziel sei es, alle Schülerinnen und Schüler mitzunehmen und ein gewisses Level zu erreichen.

 

Weitere Informationen

Die Publikation Vom Nebeneinander zum Miteinander – Wie gelingt Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Ganztagsschule? des Programms Ganztägig bilden stellt neben dem aktuellen Diskurs kommunale Praxisbeispiele gelingender Kooperation vor sowie Methoden, Formate und Materialien aus dem Bundesländer-Netzwerk Ganztägig bilden.

Mehr Informationen zu den Schulentwicklungsprogrammen der DKJS finden Sie hier.