Neue Aufgabenkultur durch digitale Medien

Wer insgeheim gehofft hatte, das Phänomen Facebook könne sich von allein erledigen, der wird im Workshop 2 auf dem Transferforum 2014 eines Besseren belehrt. „Wir müssen davon ausgehen, dass dieses Medium bleibt und dass wir damit arbeiten müssen“, macht Can Erdal von der Agentur Squirrel & Nuts gleich zu Anfang seines Vortrags deutlich. Jugendliche seien mehr denn je in sozialen Netzwerken unterwegs.

Die Grafik, die Can Erdal präsentiert, spricht für sich: Die Nutzerzahlen steigen stetig und sanken nur kurzfristig und sehr geringfügig, auch wenn die Facebook-Abmeldungen von den Medien ausgiebig diskutiert wurde. Facebook hat inzwischen 27 Millionen Nutzer, das heißt fast 90 Prozent aller Jugendlichen kommunizieren über Facebook.

Jugend findet in sozialen Netzwerken statt

„Mir geht es darum, dass wir das als Chance begreifen“, sagt Can Erdal, „und das vor allem aus einem Grund: Es ist Lebenswirklichkeit. Jugend findet in sozialen Netzwerken statt.“ Es sei wenig hilfreich, die Augen vor dieser Realität zu verschließen. „Man muss sich damit auseinandersetzen, ob man selber darauf einwirken oder diesen Lebenswirklichkeitsprozess nur begleiten möchte.“ Wegzudenken seien die sozialen Netzwerke auf keinen Fall mehr. Mediengewohnheiten würden sich nur langsam verändern, wer einmal mit dem Zeitungslesen begonnen habe, der werde das sicher noch tun, wenn er oder sie 80 sei. Das heißt: Soziale Medien würden eher wichtiger werden, auch um Eltern zu erreichen: Die Jugendlichen von heute seien schließlich die Eltern von morgen.

Entscheidend ist, ob jemand eine gute Geschichte zu erzählen hat

Can Erdal warnt allerdings davor, sich ungefragt in die Kommunikation der Jugendlichen einzumischen und etwa Fotos zu kommentieren. „Ich kann die soziale Identität mit den Jugendlichen teilen – ich muss es aber so machen, dass es die Jugendlichen auch wollen.“ Entscheidend sei nach wie vor, ob jemand eine gute Geschichte zu erzählen habe. Die habe sich früher beim Friseur oder auf dem Marktplatz auch schnell herumgesprochen, genau wie heute in den sozialen Netzwerken. Interessant seien zum Beispiel Informationen über Vertretungslehrer oder Stundenausfälle. „Ich muss Schülern die Informationen liefern, die sie wirklich haben möchten.“
Nicht in jedem Bundesland ist es Lehrkräften allerdings erlaubt, eine Facebook-Gruppe zu führen. Eine Teilnehmerin berichtet, in Schleswig-Holstein sei es verboten, sie habe daher eine Schülerin beauftragt, ihre Gruppe zu leiten und kommuniziere dann zunächst mit der. Den Einwand einer andere Teilnehmerin, dass es auch andere, geschütztere Netzwerke gebe, in denen es Lehrkräften auch nicht verboten sei, mit ihren Schülerinnen und Schülern zu kommunizieren, lässt Can Erdal nicht gelten. „Ja, aber bei Facebook sind sie drin“, sagt er.
Andreas Hofmann, Lehrer an der Waldschule Hatten in Niedersachsen und zweiter Referent des Workshops, kann sich dem nur anschließen. „Wir müssen uns mit Facebook auseinandersetzen“, sagt er, „auch wenn der schulische Nutzen dahingestellt ist.“ Es sei aber ungemein wichtig, die Schülerinnen und Schüler dabei anzuleiten, ein Profil zu erstellen. Mit ihnen über Bildrechte, Lizenzen oder auch über digitale Kalenderführung zu reden. Oder gemeinsam und angeleitet auch einmal einen Chatraum zu besuchen und anschließend darüber zu reden, was dort warum passiert.

Tablet vs. Holzbuch

Andreas Hofmann unterrichtet seit vier Jahren papierfrei. Zunächst leitete er eine Notebookklasse, jetzt arbeiten seine Schülerinnen und Schüler mit Tablets, die ihnen die Schule zur Verfügung stellt. „Fest steht: Meine Materialien aus meinen ersten sieben Jahren Lehrerdasein sind für mich nicht mehr nutzbar“, sagt Andreas Hofmann. Er scheint das nicht groß zu bedauern. Die Aufgaben für seine Schülerinnen und Schüler hätten sich vollkommen verändert. Als Beispiel nennt er das Digitale Kochbuch mit Videoanteilen, in dem die Schülerinnen und Schüler im Film erklärten, wie sie eine Kürbissuppe zubereiten. „So etwas kann mir ein Holzbuch nicht bieten“, sagt der Lehrer. Eine QR-Code-Rallye, ein Stop-Motion-Film, ein Blog oder eben ein Digitales Kochbuch würden den Kindern auch ganz andere Möglichkeiten bieten, ihre Talente einzusetzen. „Technik hat für uns einen Mehrwert, den es so vorher nicht gab“, findet Andreas Hofmann, „Beamer, Notebook und Internetzugang sind ein riesiger Gewinn.“
Nicht zwangsläufig sei dafür ein großer Etat notwendig. Er selber sei mit dem Hausmeister auf dem Dachboden herumgekrochen um dort das WLAN zu installieren. „Das geht zwar noch besser, aber es reicht“, sagt er. Es sei doch absurd, dass innerhalb der Schule das Leben so vollkommen anders sei als außerhalb, wo Handy und Internet das Leben der Schülerinnen und Schüler bestimmen.

Autorin: Beate Köhne

Die Workshops auf dem Transferforum dienten auch in diesem Jahr dem praxisnahen und interaktiven Austausch zu Lösungsansätzen bei der Ganztagsschulentwicklung. Erfahrene Ganztagsschulen und ihre Partner sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft luden die Teilnehmenden ein, spannende Fragestellungen der Ganztagsschule zu diskutieren.
Mit dem Transferforum bietet das Programm Ideen für mehr! Ganztägig lernen. einen Rahmen für den länderübergreifenden Austausch von Expertinnen und Experten aus Schulpraxis und Partnerinstitutionen, Wissenschaft und Bildungsverwaltung. Das Transferfoum beschäftigte sich dieses Jahr mit dem Thema "Qualitätsentwicklung - wie geht's zur guten Ganztagsschule".

27.05.2014

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