Vielfalt im Gespräch mit Florence Brokowski-Shekete über diskriminierungssensibles Handeln im Bildungskontext

Am 26. April 2022 gingen wir gemeinsam mit Florence Brokowski-Shekete der Frage nach, welche Stellschrauben ein verantwortungsvolles und diskriminierungssensibles Handeln im Kontext von Schulpflicht und Machtverhältnissen ermöglichen

Vielfalt im Gespräch mit Florence Brokowski-Shekete
Vielfalt entfalten / DKJS

Auf institutioneller Ebene können Diskriminierungen die Folge von traditionellen Normen, gesetzlichen und administrativen Regelungen oder gewohnheitsmäßigen Verfahrensabläufen in Organisationen sein. Für Schule als öffentliche Einrichtung, in der organisatorisch in einem Netzwerk gesellschaftlicher Institutionen gehandelt wird, können standardisierte Leistungsbewertungen, getrennte Beschulungen oder Deutsch als alleinige Bildungssprache zu Diskriminierungen führen.

Die Referentin gibt im Rahmen ihres Talks folgende Empfehlungen für ein diskriminierungssensibleres Handeln:

  • Das Thema diskriminierungssensibles Denken und Handeln muss sich verpflichtend und wie ein roter Faden durch die Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fach- und Lehrkräften ziehen.
  • Bildungsministerien der Länder müssen Schulen konkrete Fortbildungsmodule zu diskriminierungssensiblem Denken und Handeln anbieten und diese finanzieren.
  • Das Personal an Schulen sowie in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung müssen in dem Bereich der Bildungs- und Schulkulturen der Herkunftsländer von migrierten Familien sensibilisiert werden, um diversitätssensibel mit Erziehungsberechtigten arbeiten zu können.

Der Talk am 26. April 2022 wurde aufgezeichnet. Nachfolgend finden Sie den Impuls von Florence Brokowski-Shekete:

Vielfalt im Gespräch mit Florence Brokowski-Shekete

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„Diskriminierungssensible Pädagogik ist nicht wie Fahrradfahren – einmal erlernt, nie vergessen – auch bedarf es keines eigenen Faches, sondern einer institutionellen sowie individuellen Haltung, die es gilt, regelmäßig aufs Neue zu reflektieren und zu zeigen.“

Florence Brokowski-Shekete
Schulamtsdirektorin in Baden-Württemberg und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Über die Referentin

Florence Brokowski-Shekete ist Schulamtsdirektorin in Baden-Württemberg und Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zum Thema „Diskriminierungssensible Pädagogik im Bildungskontext“. Zuvor arbeitete sie als Lehrerin, Schulleiterin und Schulrätin. Sie ist Gründerin der Agentur FBS intercultural communication, bei der sie seit 1997 als freie Beraterin, Coachin und Trainerin u.a. im Bereich diversitätssensibler Fort- und Weiterbildung tätig ist. 2020 veröffentlichte sie ihre Autobiografie „Mist, die versteht mich ja!“ beim Orlanda Verlag Berlin. Seit Februar publiziert sie den Podcast „SchwarzWeiss“ – das „Geht’s nicht auch anders”-Format, gemeinsam mit der Journalistin Marion Kuchenny.

Weiterführende Literatur zum Thema Diversitätssensible Schulentwicklung

In dieser Publikation wird das Konzept einer diskriminierungskritischen Schule skizziert und als gemeinsame Aufgabe von Schule und Partner:innen aus Jugendsozialarbeit und politischer Bildung beschrieben.

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  • Als Merkposten für die diskriminierungskritische Schulentwicklung hält die Publikation folgende Empfehlungen fest:
  • Die Orientierung an Gerechtigkeit – und nicht an Vielfalt – bedeutet, Schule nicht “bunter”, sondern gerechter zu gestalten.
  • Eine gezielte Organisationsentwicklung muss als Schulentwicklungsprozess von der Leitung initiiert, getragen und durchgehalten werden.
  • Alle Berufsgruppen werden einbezogen.
  • Heterogene Teams brauchen klare Standards, Beschwerdemöglichkeiten und ggf. Sanktionen, um Kolleg:innen und Schüler:innen vor Diskriminierung zu schützen.
  • Die Schule organisiert für alle Mitarbeitenden angemessene Fortbildungsformate und stellt ein Team von speziell qualifizierten Kolleg:innen zusammen, die andere Kolleg:innen beraten und unterstützen.
  • Schüler:innen und Eltern sind von Beginn an bei allen Schritten des Entwicklungsprozesses eingebunden.
  • Die Kooperation von Schule mit externen Partner:innen wird individuell und gleichberechtigt gestaltet, so dass alle in ihrer Arbeit und ihrem Eigensinn anerkannt sind und einen guten Beitrag liefern können.
  • Das Handbuch wird vom adis e.V., einem Träger der professionellen Antidiskriminierungsarbeit, kostenfrei hier zum Download zur Verfügung gestellt.

Der Autor geht in seinem Beitrag zu rassismuskritischen Veränderungs-prozessen in Institutionen den folgenden Fragen nach: Wie kommt es, dass die eigene Einrichtung noch nicht hinreichend rassismuskritisch aufgestellt ist? Was ist der eigene Beitrag, dass dem noch nicht so ist? Welche Versäumnisse bestehen? Woran merken es Weiße Personen, woran merken es Personen of Color?

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Als Gelingensfaktor mit zentraler Bedeutung betont der Autor, dass diversitätssensible Veränderungsprozesse in Einrichtungen von allen Personen mitgetragen werden – unabhängig von ihrer jeweiligen Rolle in der Organisation. Inbegriffen sind sowohl fest angestellte Führungskräfte als auch freiberuflich oder ehrenamtlich tätige Personen. Die Verantwortung für den Veränderungsprozess beinhaltet die Teilhabe aller Akteur:innen von Beginn an und ist Grundvoraussetzung für die Etablierung von diversitätssensiblem Handeln als Querschnittsaufgabe.

Als Stolperstein identifiziert der Autor unter anderem das Ungleichgewicht von Wissens- und Erfahrungsschätzen der am Veränderungsprozess beteiligten Personen. Das beinhaltet die Themen Macht, Diskriminierung und Empowerment. Der Autor warnt davor, dass privilegierte Personen auf Kosten von marginalisierten Personen lernen. Außerdem plädiert er für getrennte Angebote und im Vorfeld zu bestimmten Regelungen, Ansprechpersonen und Maßnahmen, die bei Diskriminierungsfällen im Veränderungsprozess greifen.

Schließlich unterstreicht der Autor, dass Maßnahmen und Aktivitäten erst dann als Erfolg im Veränderungsprozess gewertet werden können, wenn sie sich nachhaltig durchsetzen. Hierfür empfiehlt der Autor den langfristigen und kontinuierlichen Einsatz von geeigneten Monitoring-Instrumenten.

Der Beitrag erschien in der in der Publikation “Rassismuskritische Öffnung. Herausforderungen und Chancen für die rassismuskritische Öffnung der Jugend(verbands)arbeit und Organisationsentwicklung in der Migrationsgesellschaft” (2019. S. 55-59), veröffentlicht vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) und kann hier kostenfrei gelesen werden. 

Diese Publikation stellt die Ergebnisse einer Studie vor, in der Einstellungen von Lehrkräften zu Aspekten von Diversität untersucht worden sind. Der Fokus liegt auf der Betrachtung von  Lehrer:innenerwartungen und deren Zusammenhang mit dem Bildungserfolg von Schüler:innen mit sogenanntem Migrationshintergrund.

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Die Autor:innen fassen in ihrem Fazit folgende Empfehlungen zusammen:

Zunächst muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass und wie Kinder und Jugendliche  mit Migrationshintergrund aufgrund von Erwartungseffekten und durch Stereotype benachteiligt werden. Diese Erkenntnis kann durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden:

  • im Rahmen von Aus- und Fortbildung der Lehrer:innen,
  • durch stärkeren Personaleinsatz von Lehrkräften mit Migrationshintergrund,
  • durch Sensibilisierung von Erziehungsausübenden für die Wirkung von stereotypen Erwartungen,
  • durch Vermeidung von Lehrmaterialien, die Stereotype vermitteln.

Darüber hinaus empfehlen die Autor:innen Interventionen zum Abbau von sogenanntem „stereotype threat“, um Wendepunkte in Bildungsverläufen anzustoßen. Lehrkräfte können so die  Lernmotivation und die Schulleistungen benachteiligter Schüler: innen nachhaltig verbessern und dadurch verinnerlichten negativen Stereotypen entgegenwirken. Hierfür nennt die Studie einige Voraussetzungen – und kritisches Feedback:

  • Die Haltung der Lehrkräfte ist entscheidend für die Wirksamkeit der Interventionen. Bei negativen Leistungserwartungen der Lehrkraft gelingt es nicht, durch die Intervention eine gegenläufige positive Überzeugung zu vermitteln.
  • Interventionen sollten eingebettet sein in ein ganzheitliches Unterrichtskonzept und an der Motivation der Lernenden ansetzen, damit Schüler:innen befähigt werden, mit dem Stress von Bewertungssituationen umzugehen.
  • Lehrkräfte sollten zu Interventionstechniken gesondert geschult werden. Hier ist es die Verantwortung und Aufgabe der Schulleitung, die Durchführung mit dem Kollegium zu planen und sicher zu stellen.

Die Studie wurde vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) (hu-berlin.de) durchgeführt und steht hier kostenfrei zum Download zur Verfügung.