Die bunte Mischung ist auf den ersten Blick zu erkennen. In der Mitte eines jeden runden Tisches steht ein Strauß aus bunten Fahnen. Jede Farbe steht für eine Funktion und zeigt: Hier diskutieren Vertreterinnen und Vertreter von Verwaltung, Politik, Schule, außerschulischen Kooperationspartnern und Unterstützersystemen gemeinsam. Drei Themen in drei Salons stehen zur Wahl.
Im Salon 2 dreht sich alles um „Innovation und Qualitätsentwicklung im Spannungsfeld zwischen Steuerung, Beratung und Sanktion“. Vier Expertinnen und Experten halten kurze Impulsvorträge, auf deren Basis dann an den runden, bunt beflaggten Tischen diskutiert werden soll.
Qualitätsentwicklung durch interne Evaluation
Im Salon 2 macht Dr. Norbert Reichel vom Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen den Anfang. In NRW wird mit QUIGS gearbeitet, einem internen Evaluationsinstrument zur Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen, das von der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ entwickelt wurde. Vor QUIGS, berichtet Dr. Norbert Reichel, habe es bereits ein ähnliches Instrument für Kindertageseinrichtungen gegeben. Die Schulen erhalten 20 bis 25 Checklisten, mit denen sie weiterarbeiten können – je nachdem welche Probleme sie bei sich identifiziert haben. „Wenn man den Schulen gerecht werden will muss man berücksichtigen, dass sie unterschiedliche Profile und unterschiedliche Rahmenbedingungen haben“, erklärt Dr. Norbert Reichel. Sei zum Beispiel Sprachförderung ein Thema, dann könne die Schule anhand der entsprechenden Checkliste Ziele definieren, um in genau diesem Bereich weiter zu kommen.
Ziele müssen nicht immer „von oben“ kommen
QUIGS werde inzwischen von einem hohen Prozentsatz der Schulen in NRW genutzt, sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf Landesebene. Auch die sogenannten Qualitätszirkel würden ausgezeichnet laufen. Die seien vom Landesministerium eingeführt worden, um das mittlere Management miteinander zu vernetzen. „Dort lernen Fach- und Lehrkräfte mit- und voneinander“, erläutert Dr. Norbert Reichel, „sie können sich Rat holen, wenn sie welchen brauchen, und sich selbst erproben. Die Ziele und Items, die sie besonders untersuchen wollen, benennen sie aber selbst.“ Dieses Element von Schulentwicklung sei sehr hilfreich, nicht immer müsse alles „von oben“ kommen.
Reflektion über Qualitätsentwicklung
In Hessen, erläutert Cornelia Lehr, die beim Hessischen Kultusministerium für Ganztagsschulen zuständig ist, gebe es den Hessischen Referenzrahmen Schulqualität. Der schreibe in acht Bereichen fest, wie Qualität bestenfalls sein solle und lege auch die finanziellen Ressourcen fest. Dabei gebe es drei aufeinander aufbauende Profilstufen. Jede Schule, die mit der systematischen Schulentwicklung beginne, durchlaufe also einen bestimmten Angebotskanon. „Das ist der Kanon, den das Land setzt“, erklärt Cornelia Lehr, „das Land beeinflusst aber nicht, wie die einzelne Schule das vor Ort gestaltet.“
Doch wenn das Land die Qualität von Ganztagsschulen einfordere und auch finanziell unterstütze („58 Prozent unserer Schulen erhalten 80 Millionen Euro“), habe es nach hessischer Auffassung sowohl das Recht und wie auch die Verpflichtung, diese zu überprüfen. Im Jahr 2011 wurden die hessischen Schulen daher aufgefordert, eine Selbstevaluation durchzuführen, die anschließend an die Schulaufsicht weitergeleitet wurde. Sanktionen habe es daraufhin keine gegeben. „Der Qualitätsrahmen fördert eine kontinuierliche Berichtslegung und eine Reflektion darüber, und er fördert auch die effektive Aufstellung der Unterstützungssysteme“, sagt Cornelia Lehr.
Netzwerke als Motoren der Schulentwicklung
Für das Goethe-Gymnasium im hessischen Bensheim ist diese Förderung anscheinend aufgegangen. Schulleiter Jürgen Mescher berichtet, sein Kollegium sei sehr zögerlich gewesen, als es darum gegangen sei, den Ganztag einzuführen. „Beim Profil 1 konnten sich dann noch manche raushalten“, sagt er. Die schrittweise Einführung habe das Kollegium überhaupt erst dazu bewogen, sich auf den Ganztag einzulassen. „Die Kollegen haben dann gemerkt, dass sie Unterstützung bekommen“, sagt Jürgen Mescher. Kooperationspartner, Förderangebote und die Verschränkung von Vor- und Nachmittag hätten ganz praktisch für Entlastung gesorgt. „Den größten Schub hat die Herstellung von Netzwerken gegeben, die auf Basis des Qualitätsrahmens entstanden sind“, erläutert der Schulleiter, „dort findet der Kick für Schulentwicklung statt.“
Wünschen würde sich Jürgen Mescher, dass selbstdefinierte Entwicklungsschritte in der Evaluation in Zukunft eine größere Rolle spielen als dies bislang der Fall ist. „Bei uns wäre das zum Beispiel die Förderung des personalisierten Lernens. Wir fordern das immer wieder, wissen aber noch nicht, wie wir das wirklich hinbekommen.“ Außerdem merkt der Schulleiter an, dass der Qualitätsrahmen an manchen Stellen zum Quantitätsrahmen gerate – wenn zum Beispiel nach der Existenz eines Ruheraums gefragt werde, aber nicht nach dessen Ausstattung.
Kürzlich hat sich das Goethe-Gymnasium für die Profilstufe 2 beworben. Nicht ohne Stolz berichtet Jürgen Mescher, dass es keine einzige Gegenstimme gegeben habe. „Nur ein paar Enthaltungen bei den Lehrern“, sagt er. Da lacht das Publikum im Brandenburg-Saal.
Veränderungen brauchen Zeit
Jo Parkes vertritt in diesem Salon die außerschulischen Kooperationspartner. Die ausgebildete Lehrerin ist jetzt Choreographin bei TanzZeit Berlin, einem Verein, der mit mehreren Berliner Schulen kooperiert. „Uns ist es ein großes Bedürfnis über gemeinsam Ziele zu reden – sowohl von Schule und Verein als auch von Lehrkraft und Künstler“, betont sie. Es geschehe zum Beispiel häufig, dass Lehrer Tanz für ein Entspannungselement hielten, während die Künstler vielleicht mit den Kindern gemeinsam etwas entwickeln wollten, was Kreativität und Konzentration erfordere. Darüber müsse man reden.
„Wir brauchen Zeit, die niemand hat, aber auch Verständnis für die Rolle des anderen“, sagt Jo Parkes. Sie plädiert dafür, einander wirklich zuzuhören und einander Raum zu geben. Das könne sehr bereichernd sein, auch weil Künstler oft näher an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler seien als Lehrkräfte. „Wir Künstler kennen uns auch gut mit Prozessen aus. Es ist Teil unserer Arbeit einfach mal zurückzutreten und etwas nicht zu wissen.“ Und ihre langjährige Erfahrung habe ihr gezeigt: Eine Projektwoche an einer Schule sei schön. Ein Jahr lang etwas mit einer Klasse zu machen sei interessant. Wenn man aber sechs Jahre mit einer Klasse arbeite, dann verändere man wirklich etwas für diese Klasse: „Innovation erwächst aus langfristigen Partnerschaften.“
Autorin: Beate Köhne
In drei parallelen Salons wurde auf dem Transferforum über die Themen „Qualitätsdefinitionen, Qualitätsstandards und Qualitätsrahmen – was brauchen Ganztagsschulen „(Salon 1), „Innovationen und Qualitätsentwicklung im Spannungsfeld zwischen Sreuerung, Beratung und Sanktion“ (Salon 2) und „Lernen und Bilden – wie können die Chacen der Ganztagsschule für eine neue Lernkultur genutzt werden“ (Salon 3) diskutiert. Mit dem Transferforum bietet das Programm Ideen für mehr! Ganztägig lernen. einen Rahmen für den länderübergreifenden Austausch von Expertinnen und Experten aus Schulpraxis und Partnerinstitutionen, Wissenschaft und Bildungsverwaltung. Das Transferfoum beschäftigte sich dieses Jahr mit dem Thema „Qualitätsentwicklung – wie geht’s zur guten Ganztagsschule“.