Salon 1: Jugendliche in der Ganztagsschule - Beratungsforum 2018

Salon 1: Jugendliche in der Ganztagsschule
© (C) DKJS Andi Weiland

Der 15. Kinder- und Jugendbericht benennt drei Herausforderungen des Jugendalters: Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung. Insbesondere für letztere benötigen Jugendliche Erprobungsräume, die nicht mit Leistungsdruck verbunden sind und die sie selbst gestalten können.

Freiräume schaffen, gestalten und nutzen

Jaqueline Barkusky, Leonie Beck und Maximilian Reinald, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Fritz Heicke“ Gommern, Sachsen-Anhalt

Mitbestimmung, Selbstorganisation und Ehrenamt von Kindern und Jugendlichen

Tilmann Weickmann, Landesjugendring Berlin e.V.
Der Landesjugendring Berlin setzt sich ein für die Verwirklichung des Rechts Jugendlicher auf gesellschaftliche Teilhabe in der demokratischen Gesellschaft.

Die Gestaltung von Schule mit Unterstützung eines Netzwerks

Christian Mohr, Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. (SV-Bildungswerk)
Christian Mohr hat sich viele Jahren in der Vertretung von Schülerinnen und Schülern auf Stadt- und Landesebene engagiert und arbeitet nun im Vorstand des SV-Bildungswerks an der Frage, wie gute Beteiligung umgesetzt werden kann.

Moderation: Annekathrin Schmidt, Serviceagentur Ganztägig lernen Berlin

Im Saal Nord beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Thema „Jugendliche in der Ganztagsschule“. Den ersten thematischen Input lieferten die Schülerinnen und Schüler der Fritz Heicke Sekundarschule aus Sachsen-Anhalt. Mit Hilfe eines kurzen Rollenspiels brachten sie den Anwesenden das Thema „Freiräume schaffen, gestalten und nutzen“ näher und gaben einen Eindruck in die Bereiche, in denen sich die Schülerinnen und Schüler an ihrer Schule beteiligen und dabei teilweise sogar Leitungspositionen übernehmen. Bei den Teilnehmenden stieß die Schülerpräsentation auf große Resonanz und rief einige Fragen hervor, beispielsweise nach der Aufsichts- und Betreuungspflicht in von Schülern geleiteten Kursen sowie deren Vergütung und Qualifizierung.

Abschließend befasste sich Christian Mohr, vom Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V., der mit der „Gestaltung von Schule mit Unterstützung eines Netzwerks“. Unter dem Titel „Mitbestimmung, Selbstorganisation und Ehrenamt von Kindern und Jugendlichen“ lieferte Tilmann Weickmann, vom Landesjugendring Berlin e.V., den dritten thematischen Input.

Nach diesem kurzen, aber intensiven Einstieg ging es in die Tischgespräche, wo angeregt diskutiert wurden. So zum Beispiel:

  • Wieso schafft man es in Deutschland scheinbar nicht, nachhaltige Beteiligungsstrukturen an den Schulen zu etablieren, wenn das nötige Werkzeug doch offensichtlich vorhanden ist?
  • Welche Qualifizierungen benötigen Pädagoginnen und Pädagogen, um Beteiligung im Schulleben zu implementieren?
  • Sollte der Aufbau der Lehrerausbildung sich nicht grundsätzlich mehr darauf fokussieren, angehende Lehrerinnen und Lehrer auf die Unterstützung und Implementierung von Beteiligungsstrukturen an Schulen vorzubereiten, ihnen also das nötige Werkzeug bzw. Methodenwissen an die Hand zu geben?

Von den Anwesenden wurde auch über Schüler in Leitungsfunktionen gesprochen, d.h. wenn Schülerinnen und Schüler z.B. die Leitung von AGs oder Kursen übernehmen und als „Lehrkraft“ für andere Schüler fungieren. Man war sich einig darüber, dass es in solchen Fällen Begleitung, Qualifizierung und angemessene „Entlohnung“ der Tätigen brauche. Auch dürften solche Schüler-Lehrer als Ersatz für fehlendes Lehrpersonal nicht die Regel werden.

In den Tischgesprächen kristallisierte sich heraus, dass ebenso wichtig wie die Kooperationen zwischen Schulen und Schülern, die Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Partnern sei. Letztere dürften nicht als Dienstleister betrachtet werden, sondern müssten als echte Kooperationspartner von den Schulen angenommen und auch genutzt werden. Im Zuge dessen müssten auch Vorbehalte der Eltern gegen Ganztagsstrukturen in Angriff genommen werden. Immer noch würden die Eltern mit dem Wort „Ganztag“ eine Belastung für ihre Kinder in Verbindung bringen, die ihnen die Freizeit nimmt. Hier müsse der Mehrwert des Ganztagsangebots deutlich gemacht werden. Um diesen Mehrwert zu erreichen, bräuchte es deshalb qualitativ hochwertige Ganztagsschulen, mit umfangreichen Konzeptstrukturen. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass eine Frage der Zukunft vor allem sei, wie man Qualität im Ganztagsschulbetrieb erreiche und manifestiere.

Eines der größten Probleme für eine gelingende Partizipationsstruktur sei die oftmals fehlende Nähe des Lehrpersonals zur Lebenswirklichkeit der Schüler, so die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Häufig fehle es den Lehrerinnen und Lehrern an der nötigen jugendlichen Sichtweise, um Beteiligungsstrukturen für Schüler zu schaffen, die deren Bedürfnissen entsprechen („Lehrern fehlt der jugendliche Blick, wenn es um die Schüler-Partizipation geht“; „Entscheidungsprozesse werden von Erwachsenen beschlossen und spiegeln deren Sichtweise wider, doch so funktioniert Partizipation auf Augenhöhe nicht.“). Einigkeit bestand auch darin, dass es den Verantwortlichen in den Schulen vielfach am nötigen Methodenwissen mangele, dieses wäre aber zwingend notwendig, um gelungene, funktionierende und vor allem nachhaltige Beteiligungsformen für die Schülerschaft zu etablieren.

Ein Lösungsansatz, wie Schülerbeteiligung erfolgreich funktionieren kann, wurde von den anwesenden Schülern vorgebracht. Die Schüler zeigten als eine der erfolgreichsten Beteiligungsformen die Nutzung von Feedbackbögen auf, wobei es wichtig sei, dass die Bögen inhaltlich klar strukturiert sind und in regelmäßigen Abständen von den Schülern ausgefüllt werden. Ein Feedbackbogen, der einmal im Jahr ausgefüllt wird, liefere keinem der Beteiligten einen Mehrwert. Dies stieß auch unter den anwesenden Erwachsenen auf große Zustimmung, zumal man zuvor bereits über die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Evaluierung von laufenden schulischen Beteiligungsprozessen diskutiert hatte.

Bei den anwesenden Lehrern setze sich außerdem die Erkenntnis durch, dass es ein grundlegendes Umdenken braucht; „Kinder kommen mit dem Bedürfnis zu gestalten in die Schule, dann dämmen wir dieses Bedürfnis ein, nur um Jahre später zu sagen, so jetzt müsst ihr euch wieder einbringen“. Ebenso einvernehmlich wurde die Erkenntnis angenommen, dass Schule kein Prozess sein darf, indem Lehrer die Strukturen vorgeben und alle Bereiche verwalten. Vielmehr muss es ein Ort der Kommunikation – zwischen Lehrern und Schülern – sein, an dem die Lehrer auf die Schüler zugehen und sie nach ihren Bedürfnissen und Wünschen fragen und somit Beteiligungsstrukturen auf allen Ebenen schaffen („Schule funktioniert in Zukunft nicht mehr, wenn wir es nicht schaffen übergreifende Beteiligungsstrukturen auf allen Ebenen zu generieren!“; „Es ist unsere Aufgabe als Erwachsene Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Jugendliche machen können, was sie für richtig halten.“). Lehrerinnen und Lehrer müssten sich mehr noch als bisher als echte Begleiterinnen und Begleiter verstehen. Nur so könnten umfangreiche und erfolgsversprechende Partizipationsstrukturen an den Schulen entstehen.

Zuletzt wurde noch ein kurzes Schlaglicht auf das Thema Hausaufgaben geworfen. Sie hätten nach wie vor eine Vorherrschaft im Schulalltag, die es einzudämmen gilt. Viel zu oft sei es immer noch der Fall, dass trotz des Ganztagssystems, die Kinder zu Hause Hausaufgaben zu erledigen hätte. Das ginge zu Lasten von Entwicklung und Freizeit und müsse in Zukunft dringend geändert werden. Dieser „alte Hut“ gehöre abgeschafft.