Heterogenität ist die Herausforderung

 

Wo Schule Mutig macht...

... und zugleich die Chance von Gesamtschulen. An der IGS Schillerschule geht die Lehrerschaft seit Jahren mit den Schülern Wege, um die Schüler in ihrer Vielfalt im Schulalltag wie auch in pädagogischen Prozessen für verantwortliche Mitgestaltung zu gewinnen. Schulleiter Thomas Findeisen berichtet von den guten Erfahrungen von Lehrern und Schülern an der IGS Schillerschule, die auch eine Ganztagsschule ist.

 

ein Erfahrungsbericht von Schulleiter Thomas Findeisen

 

Projektarbeit ist schon seit zwei Jahrzehnten ein überaus wichtiger Bestandteil unserer Pädagogik an der IGS Schillerschule. Seit 1992 ist es pädagogisches Prinzip, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht und im Schulleben so viele Gelegenheiten wie möglich haben sollen, sich die Welt forschend, experimentierend und handelnd zu erschließen. Im schuleigenen Bildungsplan sind solche Projekte festgeschrieben und verbindlich.

Rita Ratzke, die Schulelternbeiratsvorsitzende: „Zum gelebten Konzept der Schillerschule gehört, dass Schülerinnen und Schüler aber auch Eltern und natürlich die Lehrer viele Möglichkeiten für verantwortliche Mitgestaltung erhalten. Service-Gruppen im Ganztagsangebot geben den Schülern die Chance, jetzt schon Verantwortung im Schulleben zu übernehmen. Das Schillermenü garantiert seit 20 Jahren, dass die Ganztagsschule jeden Mittag ein von Schülern produziertes vollwertiges Essen anbieten kann; ebenso lang existiert eine mit Preisen überhäufte Schülerzeitung „der Maulwurf“, Schülersanitäter patrouillieren in den Pausen, eine Schülerfirma betreibt einen Kiosk, Schüler reinigen ihre Teambereiche selbst. In diesen Service-Gruppen, die von Lehrern gecoacht werden, ist es notwendig und normal, dass Schüler ihre Projekte professionell planen und verantwortlich durchführen. Diese Praxis ist sehr erfolgreich und einer der Gründe, warum so viele Eltern die Schillerschule für ihre Kinder wählen!“

 

Die Kraft der Heterogenität

 

 

 

Als vor vier Jahren in Hessen die Hauptschulabschlussprüfung und damit die Projektprüfung eingeführt wurde, stellten wir allerdings fest, dass unsere Projektarbeit im Unterricht meistens aus arbeitsteiligen Großprojekten, also aus projektorientierten Unterrichtsphasen, besteht. In der Projektprüfung jedoch sollen ca. drei Schüler als Team sich selbst ein Projektthema, dazu eine Fragestellung, einen Forschungsauftrag geben, das Projekt planen und innerhalb kurzer Zeit realisieren, um es anschließend einer Prüfungskommission möglichst professionell zu präsentieren.

Peter Reimann, seit drei Jahrzehnten Klassenlehrer: „Es ist ganz erstaunlich, wie die Schüler über sich hinauswachsen. Ich war völlig überrascht, zu welchen guten gemeinsamen Leistungen die Projektgruppen in der Lage waren. Und das sind Schüler, denen ich das nie zugetraut hätte. Unser Beschluss, alle Schüler die Projektprüfung absolvieren zu lassen, sodass in den Projektgruppen Schüler aller Bildungsgänge zusammen arbeiten, hat uns allen gezeigt, welche große Kraft in der Heterogenität steckt“.

 



Aber nach wie vor gehen wir Lehrer jedes Jahr mit großer Sorge an die Vorbereitung der Projektprüfung. Wir stellen fest, dass wir vor der Prüfung im 9. Schuljahr doch noch viel mit den Projektgruppen erarbeiten müssen, damit diese auch wirklich selbstständig und erfolgreich an die Projektarbeit herangehen.
Dagmar Helm, Pädagogische Leiterin an der IGS Schillerschule: „Wir haben es geschafft, dass wir ein schillerbuntes Schulleben haben. Schüler spielen im Ganztagsbereich der Schillerschule eine große Rolle. Wir nutzen aber ihre Selbstwirksamkeit und ihre selbstständige Arbeit im Unterrichtsprozess noch zu wenig aus. Wir müssen ab Klasse 5 bereits viel mehr Möglichkeiten und Notwendigkeiten im Unterricht selbst schaffen, dass kleinere Schülergruppen selbstständige Projekte übernehmen und der Klasse bzw. der Öffentlichkeit präsentieren!“.

 

Wir sind alle sehr schüchtern

Schüler Lukas Nagel (Klasse 6b): „Wir dürfen bei Herrn Metzler im Unterricht Projekte durchführen. Das macht richtig Spaß.“ Als Schulleiter der IGS Schillerschule hielt ich auf dem Ganztagsschulkongress in Berlin Ausschau nach Möglichkeiten, um die Projektarbeit an unserer Schule zu fördern. Hierbei entdeckte ich die virtuelle Lernplattform SCHOLA-21 und implementierte dieses Werkzeug für die Projektarbeit an unserer Schule in Offenbach. Seither spielt die von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) bereitgestellte Plattform eine zunehmend große Rolle an der Schillerschule.

 



Völlig verankert ist die Arbeit mit SCHOLA-21 seit zwei Jahren im 10. Schuljahr. Hier gibt es einen IT-Schwerpunkt im Bildungsplan der Schule. Drei Stunden stehen allen Schülern zur Verfügung, um ihre Computerkompetenz zu erhöhen. Sie können zwischen der Absolvierung des Europäischen Computerführerscheins (ECDL) und internetgestützter Projektarbeit mit SCHOLA-21 wählen. Ob Schüler sich nun für ein Studium oder für eine Ausbildung vorbereiten, sie wissen, dass sie die vielfältigen Kompetenzen, die sie in selbstständiger Projektarbeit erwerben, schon bald abrufbar brauchen werden.

Ein Beispiel: Die Schüler Pascal, Christian und Marcel waren letztes Jahr in diesem Kurs und hatten sich vorgenommen, ein echtes zukunftweisendes Schülerhandy zu entwickeln: „Im Unterricht haben wir drei immer unsere Schwierigkeiten gehabt. Wir sind alle sehr schüchtern und häufig kommen wir deshalb mit unseren guten Ideen gar nicht zum Zuge. Mit SCHOLA-21 hatten wir endlich die Chance, ganz alleine etwas auf die Beine zu stellen und das allen auf unserer Homepage zu präsentieren. Es war super, Termine auszumachen, unsere Ideen einzustellen und solange online zu diskutieren, bis wir alle drei mit dem Ergebnis zufrieden waren“.

Die Gruppe nahm selbstständig Kontakt zu Christoph Stefan vom Telekommunikationsunternehmen O2 auf, um einem Praktiker aus der Branche ihre Ideen und Ergebnisse vorzustellen. Sein Reaktion war eindeutig:“ Ihr habt mit Hilfe des Projektportals richtig gute Arbeit als kreative Entwickler geleistet. Die O2-Zentrale interessiert sich sehr für eure Ideen“.

 

Auch Buddy-Projekte ...

 

 

 

Über 30 Schülergruppen haben im 10. Schuljahr inzwischen ihre kleinen selbstgestalteten Projekte mit SCHOLA-21 gesteuert. In der abschließenden Evaluation zur Arbeit mit dem Projektportal befragt, kamen sie zu folgenden Ergebnissen:

  • Es ist gut, dass SCHOLA-21 den Projektablauf vorstrukturiert. Das hat uns beim Planen und Durchführen der Projekte sehr geholfen.
  • Auch dass unser Lehrer die Möglichkeit hat, jedem online Aufträge, Aufgaben oder ein Feedback zu geben, ist hervorragend.

Immer öfter kommen diese selbstständigen Projektgruppen auf die Idee, Buddy-Projekte an der Schillerschule zu entwickeln. Neuestes Vorhaben der Zehntklässler ist es, die Schüler des jetzigen 8. Schuljahrs flächendeckend von Schüler zu Schüler mit SCHOLA-21 vertraut zu machen, um sie zu ermutigen, ihre Projekte für die Projektprüfung im 9. Schuljahr mit SCHOLA-21 zu planen. Yvonne Matschey: „Wir sind jetzt auf unserer Projektplattform so weit, dass wir alle inhaltlichen und methodischen Schritte festgelegt und ausdiskutiert haben, wie wir unseren Mitschülern im 8. Schuljahr SCHOLA-21 näher bringen, sie in die Lage versetzen können, SCHOLA-21 gewinnbringend anzuwenden. Hoffentlich kriegen wir bald unsere Partnerklasse, damit wir loslegen können!“

Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen haben seit nunmehr zwei Jahren erfolgreich ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse, die sie im Experimentieren gewonnen haben, an Grundschulkinder und inzwischen sogar in der Lehrerfortbildung an Lehrer weiter gegeben. Die Weitergabe von SCHOLA-21-Kenntnissen an jüngere Schüler ist folgerichtig der nächste Schritt hin zu mehr verantwortlicher Mitgestaltung im Unterricht an der Schillerschule.

 

Erfolgreiche Nachwuchsprojekte

 

 

In der Zwischenzeit gedeihen auch erfolgreiche Nachwuchsprojekte. Jürgen Metzler, seit zwei Jahren Lehrer an der Schillerschule, setzt SCHOLA-21 in seiner ganzen Klasse erfolgreich ein. Seine Sechstklässler sind durchweg begeistert bei der Arbeit. „Ich war sehr stolz, als auf der Veranstaltung „Projekt“ auf dem Firmengelände der Allessa-Chemie, wo die besten Projekte mehrerer Schulen um den berühmten Projekt-Award kämpften und unter den kritischen Augen von Firmenausbildern ihre Projekte einer großen Öffentlichkeit präsentierten, meine „Kleinen“ als Nachwuchsprojektler für ihre Präsentationen, die sie mit SCHOLA-21 absolvierten, frenetischen Beifall bekamen und der Ausbildungsleiter von GKN-Driveline meinte, davon könnten sich die Älteren eine Scheibe abschneiden.“ Seine Schülerinnen und Schüler hatten in Gesellschaftslehre die Möglichkeit, soziale Projekte durchzuführen.

 

Kultur selbstständiger Projektarbeit

 

Gerade als Schulleiter der Schillerschule bin in nun sehr zuversichtlich, dass sich dank SCHOLA-21 eine Kultur selbstständiger Projektarbeit nicht nur im Ganztagsbereich sondern vor allen Dingen im Regelunterricht selber durchsetzen wird und Unterricht damit an Qualität und Motivation gewinnt. Die Anzahl der Kolleginnen und Kollegen, die inzwischen dieses Instrumentarium nutzt, ist größer geworden. Eine Klasse nimmt jetzt auch am DKJS-Wettbewerb „Zeigt her Eure Schule“ teil und dokumentiert ein Partizipationsprojekt (Schüler helfen beim Umbau des Schulhofs).

Ein weiterer Bereich der Anwendung von SCHOLA-21 ist die Weiterentwicklung der Austauschprogramme der Schule zu möglichen Schulpartnerschaften. Seit 20 Jahren existiert eine Schulpartnerschaft zwischen der Schule 32 in Orjol (Russland) und der Schillerschule in Offenbach. Leider ist aus finanziellen Gründen ein konkreter Schüleraustausch nur alle drei Jahre möglich und kommt nur wenigen Schülerinnen und Schülern zu Gute. Um die Beziehungen zwischen unseren Schulen aber nachhaltiger zu gestalten , haben wir während unseres Besuches in Orjol vereinbart, dass wir mit Hilfe von SCHOLA-21 kontinuierlich gemeinsame Projekte durchführen. Das erste Projekt war, dass die Schüler beider Schulen sich ihre Schulen gegenseitig vorgestellt und unsere Homepage mit der Schola-Homepage verlinkt haben. Zwischen den beiden Deutsch-Fachbereichen wurde ein gemeinsames Literaturprojekt vereinbart: Russische Deutsch-Schüler übersetzen ein Text ins Deutsche, Schillerschüler kreieren daraus eine neue Literaturform.

 

 

 

In einem Symposium mit einer US-amerikanischen Schule, mit einer Schule in Bolivien und mit unserer Partnerschule in Russland wollen wir diskutieren, ob wir grenzüberschreitend in dieser digitalunterstützten Form selbstständige Schülerprojekte vereinbaren und durchführen können. Auch Partnerschaften mit Schulen in Nord-Kalifornien und in Frankreich werden nun mit Hilfe von SCHOLA-21 aufgebaut. Karin Marré-Harrak: „Endlich haben wir ein Instrument an der Hand, unabhängig vom immer schwieriger werdenden Schüleraustausch konkrete Partnerschaftsprojekte durchzuführen!“

Die Integrierte Gesamtschule im Nordend der Stadt Offenbach ist erfolgreich auf dem Weg, Schülerpartizipation auch im Unterricht nachhaltig zu verankern und wird diesen Weg zielstrebig weiterverfolgen.

 

Verfasser: Thomas Findeisen
 


Datum: 02.02.2007
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