Eltern als gutes Ganztagspersonal

 

 

 

Die Werkstatt „Entwicklung und Organisation von Ganztagsschulen“ sprach mit Michael Frowein, Didaktischer Leiter der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule in Hagen, über das dort praktizierte Elternbeteiligungskonzept:

 

Herr Frowein, seit wann und in welchem Umfang existiert eine ausgeprägte Elternarbeit an der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule?

Frowein: Wir können an der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule auf eine seit nunmehr 30 Jahren kontinuierlich praktizierte und weiterentwickelte aktive Elternarbeit zurückblicken. Der didaktische Ausschuss hatte in der Gründungsphase der FSG 1975 die Partizipation von Eltern im Vorbereitungsprozess und für die zukünftige Entwicklung der Schule als deutliche Absichtserklärung formuliert. Das sollte zu einer deutlichen Erweiterung und Bereicherung über den Lehrer und Lehrerinneneinsatz hinaus für die Schülerinnen und Schüler führen.
Im Rahmen eines Wochenendseminars 1975, an dem mehr als 20 Eltern teilnahmen, wurde der Start einer konkreten Mitarbeit im sog. offenen Freizeitbereich verabredet und begonnen. Seither ist die Elternmitarbeit ein fester Bestandteil unseres Ganztagskonzepts.

In welchen Bereichen unterstützen Eltern den Ganztag und wie ist  die Zusammenarbeit organisiert?

Frowein: Die meisten Inhalte der Elternarbeit sind aus den Bereichen Kunst und Werken, aber auch Sportangebote waren zunächst Kernpunkte der Elternmitarbeit. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt stellte sich heraus, dass das Anstoßen und vor allem die Umsetzung von Entwicklungen im Freizeitbereich, das den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern die Integration und stabilisierende Begleitung von mitarbeitenden Eltern sowie die Übernahme von Verantwortung durch Schülerinnen und Schüler umfasste, nicht mehr durch die didaktische Leitung der Schule geleistet werden konnte. Es wurde ein Freizeitteam initiiert, das in engem Kontakt mit dem didaktischen Leiter als Mitglied der Schulleitung diese Aufbau- und Entwicklungsarbeit bis heute übernimmt. Heute organisiert und begleitet das Team die Mitarbeit von 80-90 Eltern wöchentlich. Alle inzwischen aufgebauten Strukturen, in die Eltern eingebunden sind, wurden in einem längeren Prozess zusammen mit den Eltern entwickelt. Diese Arbeit wird täglich vom Freizeitteam begleitet und stabilisiert. Der Leiter des Freizeitbereichs ist seit mehreren Jahren Mitglied der Schulleitung und kann damit direkt und unmittelbar Aspekte aus seinem Arbeitsbereich einbringen und diesen stärken.


 
Wie hat sich die Elternarbeit aus Ihrer Sicht bis heute entwickelt und wo liegen die heutigen Schwerpunkte in der Elternarbeit?

Frowein: Durch den kontinuierlichen Aufbau der Elternarbeit und gezielter Personalentwicklung in diesem Bereich sind unsere Eltern in hohem Maße am Ganztagsbetrieb der FSG beteiligt. So gelingt es uns die Rhythmisierung des Tagesablaufs gut zu koordinieren. Seit letztem Jahr gibt es für Eltern an der FSG spezielle Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, so dass auch unterrichtsnahe Veranstaltungen wie z.B. in den Klassen 5 und 6 die Zertifikatskurse oder die Arbeit mit Schüler/innen im neu entwickelten Lesebereich der Schul- und Stadtbücherei von ihnen durchgeführt werden können. Natürlich wird auch die Elternmitarbeit auch in einem klassischen Feld wie de Schülercafe fortgeführt. Elternmitarbeit ist darüber hinaus seit 2000 im Rahmen des Kulturteams des Schüler-Theater-Cafés etabliert.

Wie ist es gelungen so viele Eltern für die Mitarbeit in der Schule zu begeistern und gibt es dafür Konzepte die anderen Schulen helfen können?

Frohwein: Zuerst einmal muss klar sein: Elternmitarbeit kann nur aufgebaut werden, wenn es eine schule wirklich will, wenn es auch im Schulprogramm verankert ist und die notwendigen begleitenden Strukturen dazu entwickelt und eingerichtet werden.Zum einen muss ein Ganztagsteam eingerichtet werden, das genau diesen Auftrag bekommt. Zum anderen muss das Team dann Lösungen für die drei Kernfragen finden:

  1. Wie können Eltern für eine ehrenamtliche Mitarbeit gewonnen und dann in die bereits vorhandenen Strukturen integriert werden?
  2. Wie ist es möglich eine konsequente Begleitung, Beratung und Betreuung der mitarbeitenden Eltern im schulischen Alltag gesichert werden?
  3. Wie kann eine Kultur der Anerkennung dieser ehrenamtlichen Mitarbeit durch die Schule aussehen?


Wie genau sind diese Zertifikatskurse von denen Sie sprachen organisiert?

Frowein: In den Zertifikatskursen des 5. und 6.Jahrgangs wird allen Schülerinnen und Schülern u.a. Basiswissen in der Handhabung des Computersystems der FSG und in der Laborarbeit durch Lehrerinnen und Lehrer vermittelt.
Eltern leiten selbständig Kurse wie Ton-Plastik, Metall, Holz und Farbe und vergeben nach Abschluss des Kurses Zertifikate. Im Rahmen dieser Zertifikatskurse werden Schülerinnen und Schüler vielfach orientiert und qualifiziert. Übrigens nur durch die hohe Elternbeteiligung können diese Kurse in halber Klassenstärke durchgeführt werden!

Gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Zertifikatskursidee?

Frowein: Der Übergang von offener Freizeitarbeit in einem breiten Mittagsband, in dem sich Schülerinnen und Schüler weitgehend frei entscheiden konnten an Elternfreizeiten teilzunehmen, zu einer doch stark durchorganisierten und für alle Schüler verpflichtenden Struktur der Zertifikatskurse in den Klassen 5 und 6 war seitens der Eltern durchaus mit Bedenken und Befürchtungen verbunden. Aber im Laufe der Zeit und vor allem durch Fortbildungsveranstaltungen mit einer außerschulischen Expertin und schulinterne Fortbildungen mit Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen konnten diese widerlegt werden und bis zum Beginn des Schuljahrs 04/05 zur Erarbeitung von inhaltlichen Konzepten führten. Diese werden zur Zeit getestet und in einen fortwährenden Prozess überarbeitet und angepasst. Methodische Fragen rücken dabei zunehmend in den Blickpunkt. Das Verhalten der Schüler/innen wird gründlich beobachtet, diskutiert und reflektiert. Alle Maßnahmen werden auch mit dem Lehrpersonal abgestimmt.

Welche Auswirkungen hat das an der Fritz-Steinhoff-Schule verwendete 60-Minuten-Raster auf die Zertifikatskurse?

Frohwein: Das 60-Minuten-Raster stellt den Zeitrahmen für die Durchführung der Zertifikatskurse zur Verfügung, der für viele dieser Kurse auch mindestens notwendig ist.

Welche Fortbildungsmaßnahmen führten zu diesem positiven Ergebnis?

Frohwein: Mit Beginn der Aufbauphase der FSG seit 1975 war ein Konsens gegeben, dass Elternmitarbeit langfristig nur gelingen und gesichert werden kann, wenn die an einer Mitarbeit interessierten Eltern von Anfang an und auf Dauer planend und entwickelnd in die zu treffenden Entscheidungen für Strukturen und auch deren Veränderungen mit einbezogen werden. Es wurden und werden zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten Wochenendseminare durchgeführt, abendliche Freizeitversammlungen organisiert.  Ein Großteil der Eltern nimmt an externen Fortbildungsveranstaltungen teil – teilweise finden sowohl schulinterne aber auch Fortbildungen bei uns in der Schule statt, die von außerschulischen Experten geleitet werden.

Wie haben Sie diese Eltern-Fortbildungen finanziert?

Frowein: Die externen und internen Weiterbildungen für interessierte Eltern die in diesem Bereich nötig waren und sind, konnten bisher von uns aus dem der Schule zur Verfügung stehendem Fortbildungsetat finanziert werden.

Wie ist das Lehrpersonal im Zuge dieser Zertifikatskurs-Elternarbeit mit eingebunden?

Frowein: Wir verfolgen an der FSG den Leitsatz: „Wir unterrichten Kinder – nicht Fächer!“ Aus diesem Grund sind in diesem Prozess je zwei Lehrerinnen und Lehrer aus den Jahrgängen 5 und 6, unsere Sozialpädagogen, die für die Elternmitarbeit zentral verantwortliche Kollegin Frau Riemer-Gerth und der Leiter des Ganztagsbereichs, Herr Plett, eingebunden und sehr engagiert. Sie bilden das sog. Betreuungs- und Beratungsteam für die Zertifikatskurse, das den Eltern mit Rat und Tat bei auftretenden Schwierigkeiten zur Seite steht, organisatorische Aufgaben übernimmt und den Entwicklungsprozess, in dem sich die Zertifikatskurse befinden, insgesamt begleitet.

Welche Rückmeldungen haben Sie von Ihren Schülern über diese Form der Elternmitarbeit an der FSG?

Frowein: Von Schülerinnen und Schülern durchweg und von Eltern fast nur positive! Vor allem ist auffallend, dass die Schüler insgesamt viel ausgeglichener und zufriedener wirken. Eindeutig ist auch festzustellen, dass diese Form der Elternmitarbeit, die wir an der FSG praktizieren, zur positiven Entwicklung unseres guten Schulklimas insgesamt beigetragen hat.

Herr Frowein, vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Gespräch führte Thomas Schnetzer von der Werkstatt „Entwicklung und Organisation von Ganztagsschulen“.

 

Fotos: Schweder
Datum: 10.05.2006
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