Ein Haus für alle

Bundesland

  • Hessen

Die Montessori-Schule Hofheim hat für die Nachmittagsbetreuung ein Schülerhaus eingerichtet. Hier wird nicht nur gespielt und getobt

Projektdaten

Klassenstufen: alle
Anzahl der Schüler/innen: alle
Anzahl der Lehrer/innen: alle Mitarbeiter/innen
Fachbereiche:
Wochenstunden: ca. 26
Das Projekt

Wir sind als Montessori-Zentrum eine verzahnte Einrichtung: Kinderhaus, Grundschule, Integrierte Gesamtschule und Schülerhaus sind auf einem Gelände untergebracht. Der besondere pädagogische Ansatz, der durch den Leitgedanken „Hilf mir, es selbst zu tun!“ kurz skizziert werden kann, und der Respekt vor den Kindern ist überall wahrzunehmen. Die örtliche Nähe der einzelnen Einrichtungsteile bietet den Kindern Gelegenheit, sich Spielkameraden jeden Alters zu suchen. Es ergeben sich interessante Konstellationen: Vor allem ältere Mädchen widmen sich in den Pausen immer wieder den Kinderhauskindern. Die Schülerhauskinder benutzen denselben Spielplatz wie die Kinderhauskinder, sodass zwischen diesen Altersgruppen ein reger Austausch stattfindet. Kinderhauskinder, die sich mit den Erzieherinnen im Einzelfall abgesprochen haben, dürfen auch den Spielplatz benutzen, auf dem sonst die Schüler/innen spielen. Das Schülerhaus ist zuständig für die Pausen- und die Nachmittagsbetreuung. Die Pausenbetreuung wird für die Klassen 4–10 angeboten. Nachmittags werden Schülerinnen und Schüler bis zur 6. Klasse betreut. Die Kinder können für einen bis fünf Tage angemeldet werden.

Der Auslöser

Unsere Schule ging aus einer Elterninitiative hervor. Noch heute ist ein gemeinnütziger, von Eltern organisierter Verein Träger des Montessori-Zentrums Hofheim. Mit der Eröffnung unserer Schule im Jahr 1996 ging die Einrichtung eines Schülerhauses einher, also die Betreuung nach der Schule. Zunächst lag dem Ganzen eine sehr offene Konzeption zu Grunde. Jeder Schüler und jede Schülerin konnte nach Wunsch für einzelne Stunden oder Tage eine Woche im Voraus angemeldet werden. Für die Eltern war dies eine ideale Organisationsform, denn jedem individuellen Zeitwunsch wurde entsprochen. Für die pädagogische Arbeit stellten sich diese Rahmenbedingungen als große Herausforderung dar.

Der Weg

Schon in der Schulgründungsphase war klar, dass es ausreichend Bedarf für den Betrieb einer Nachmittagsbetreuung geben wird. Deshalb wurde eine ergänzende pädagogische Betreuung parallel zur Schulgründung geplant. Im Jahr 2001 wurden der Nachmittagsbetreuung zusätzliche Räume zur Verfügung gestellt. 2003 begann die Neugestaltung der Räume mit der völligen Umstrukturierung der Zeiten und Angebote innerhalb der Nachmittagsbetreuung. In den Klassen 7 bis 10 gibt es das Wahlpflichtunterrichtsfach Soziale Dienste. In diesem Rahmen können die Schüler/innen sich bei der Pausenbetreuung engagieren. Es können Hüpfseile, Bälle, Stelzen, Pedalos, Hüpfbälle, Diabolos und Hula-Hoops ausgeliehen werden. Das Angebot wird von den älteren Schüler/innen selbstständig durchgeführt. Die Sozialpädagoginnen des Schülerhauses tragen jedoch die Verantwortung und kooperieren eng mit ihnen. Einige bieten zweimal wöchentlich Fußball und Schach für Schülerhauskinder an. An unserer Schule gibt es ein Streitschlichtungsprojekt („peaceful school“), das inzwischen seit über drei Jahren läuft. Einzelne Vertreter/innen jeder Stammgruppe oder aus dem Schülerhaus werden dabei zu Mediatoren ausgebildet. Sie werden von den Streitparteien aktiv angesprochen. Es ist schön, wie erfolgreich diese Kinder miteinander agieren. Einmal wöchentlich gibt es eine Kinderkonferenz im Schülerhaus. Hier werden Regeln vorgestellt, Probleme angesprochen, Wünsche geäußert, Aktionen geplant und vieles mehr. Nach einem anstrengenden Schulvormittag kommen die Kinder mitteilungsbedürftig, freudig oder müde in das Schülerhaus. Sie werden mit ihren Fragen und Problem aufgefangen, dürfen nun spielen und ihrem Bewegungsdrang nachkommen. Die Zeit im Schülerhaus verbringen die Kinder im freien Spiel mit Basteln, Malen, Spielen, Lesen, Bauen, Ruhen, Toben etc. oder bei der Teilnahme von Angeboten und Projekten. Im Freispiel können die Kinder ihre Wünsche, Bedürfnisse und Interessen umsetzen. Sie bestimmen Zeitpunkt, Spielmaterialien und Freunde selbst. Die Schülerhauskinder haben auch die Möglichkeit, im Büro der pädagogischen Fachkräfte zu zweit für höchstens 25 Minuten am Computer Lernspiele zu benutzen. Das funktioniert gut, weil die Pädagoginnen sehr flexibel und die Kinder sehr diszipliniert sind. Das gemeinsame Spiel in der altersgemischten Gruppe stärkt die Kinder in ihrer Persönlichkeit. Die Mitarbeiterinnen sind in diesem Fall für die Kinder da, um mit ihnen zu spielen, Anregungen zu geben, den Kindern zuzuhören oder ihnen anderweitig behilflich zu sein. Feste Angebote über einen längeren Zeitraum hinweg fördern die Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit des einzelnen Kindes sowie die soziale Kommunikation in der Gruppe. So sollen die Kinder sich in Projekte einwählen, die einmal die Woche für die Dauer von fünf Monaten stattfinden, wie z.B. Kreatives Gestalten, Schwarzlichttheater, Handarbeit, Werken oder Film. Außerdem finden sporadisch Angebote wie Sport, Backen und Kochen, Waldspiele, Einkaufen oder Töpfern statt. Viele Kinder haben Probleme im Bereich der Grob- und Feinmotorik sowie der Bewegungskoordination. Aufgabe der Nachmittagsbetreuung ist es, verstärkt sportliche Aktivitäten anzubieten, damit sich die Kinder regelmäßig und vor allem auch im Freien bewegen. Unsere Schüler/innen haben keine Hausaufgaben und können somit ihre Freizeit voll nutzen. Dennoch werden einige Montessori-Materialien, die auch in der Schule eingesetzt werden, angeboten, sodass die Schülerhauskinder freiwillig ihr Wissen vertiefen können. Schüler/innen, die eine der Arbeitsgemeinschaften besuchen, können sich nach dem Angebot zum Spätdienst im Schülerhaus anmelden. Anregungen der Eltern führten dazu, dass es seit zwei Jahren zweiwöchige Ferienspiele am Anfang der Sommerferien gibt. Das Angebot ist nicht nur für Kinder, die an der Nachmittagsbetreuung während der Schulzeit teilnehmen, sondern für alle Kinder unserer Grundschule. Bei freien Plätzen ist es sogar möglich, Freunde, die nicht unserem Montessori-Zentrum angehören, mitzubringen.

Probleme und Lösungen

Die anfänglich sehr offene Konzeption des Schülerhauses stellte sich für die pädagogische Arbeit als große Herausforderung dar. Wurden z.B. Dinge besprochen, die alle angingen, musste das an mehreren Tagen wiederholt werden, um alle zu erreichen. Regelmäßig anwesende Kinder waren dann gelangweilt und störten. Gab es nach einem Konflikt noch Dinge zu klären, war nie klar, wann genau diese Gruppen wieder zusammentreffen würden. Deshalb wurde 2002 eingeführt, dass die Kinder, die zum Mittagessen angemeldet waren, fünf Tage die Woche kommen sollten. Die Buchhaltung war ebenfalls sehr aufwändig. Es musste nicht nur die Anwesenheit der einzelnen Kinder berücksichtigt, sondern nachgehalten werden, welches Kind an welchem Tag ein warmes Essen hatte. Durch die anfänglich nicht verbindlich geregelten Abholzeiten am Nachmittag war es nahezu unmöglich, besondere Angebote oder Ausflüge zu machen. Immer wieder wurden Kinder aus ihrer Arbeit und der Gruppe herausgerissen. Es gab enorme Reibungsverluste im immer wieder neu zu bewältigenden Gruppenfindungsprozess. Da wir einen sehr großen Einzugsbereich haben, ist es im Interesse der Eltern, Fahrgemeinschaften zu bilden. Wurden dann mehrere Kinder auf einmal abgeholt, hatte dies Auswirkungen auf die Aktivitäten anderer Kinder im Schülerhaus, die sich mehrfach neu orientieren mussten. Daraufhin wurde festgelegt, dass Kinder nur nach Absprache und in Ausnahmefällen vor 16 Uhr abgeholt werden können. In den Jahren zwischen 1998 und 2001 galt die Regelung, die Kinder entweder für drei oder für fünf Tage die Woche für die Nachmittage anzumelden. Zwangsläufig gab es immer einen Tag, an dem sehr viele Kinder anwesend waren. Die Betreuung war dadurch sowohl für die pädagogische Mitarbeiterin als auch für die Kinder unbefriedigend. Soll ein Kind heute in die Mittagsbetreuung gehen, ist dies bindend für fünf Tage die Woche. Fehlzeiten müssen bezahlt werden. Seit 2003 ist es in der Nachmittagsbetreuung so geregelt, dass die Kinder für einzelne Tage für die Dauer eines halben Jahres angemeldet werden, solange die Höchstzahl nicht überschritten wird. Je nach Bedarf gibt es eine Doppelbesetzung. Zusätzlich ist eine junge Erwachsene anwesend, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr bei uns ableistet. Da die Nachmittagsbetreuung in die Räume der Schule ausweichen kann, ist eine sinnvolle Arbeit gewährleistet.

Blitzlicht

Es gab im Gruppenraum eine heftige Auseinandersetzung wegen Geheimnisverrats. Eine Siebenjährige war in Tränen aufgelöst, weil ihre Freundin, der sie unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihre heimliche Liebe zu einem Mitschüler gestanden hatte, das Geheimnis verraten hatte. Dieses Kind wiederum hatte nichts Besseres zu tun, als es an die Tafel im Schülerhaus zu schreiben. Die Sozialpädagogin versuchte zu vermitteln. Die Freundin, die das Geheimnis verraten hatte, und das Kind, das es an die Tafel geschrieben hatte, entschuldigten sich förmlich bei dem Mädchen. Das war jedoch so tief getroffen, dass es die Entschuldigung nicht akzeptieren wollte. Die Sozialpädagogin war mit ihrem Latein am Ende. Da mischte sich eine Zweitklässlerin ein und sagte: „Ja weißt du denn nicht, dass ich Streitschlichterin bin? Lass mich das regeln!“ Erleichtert und schmunzelnd ging die Fachkraft aus dem Raum und überließ es den Kindern, die Angelegenheit zu regeln. Nach kurzer Zeit erschienen alle gemeinsam und erzählten voll Stolz, dass der Konflikt nun beigelegt sei. Das Erstaunen der Sozialpädagogin quittierte ein Schüler mit dem Satz: „Was wunderst du dich denn? Wir sind doch Montessori-Kinder!“

Schule
Schulname
Montessori-Schule Hofheim
Schulart
Grundschule, Integrierte Gesamtschule
Schulangebote
kombiniert
Schulanschrift

Montessori-Schule Hofheim Schloßstr. 99 65719 Hofheim

E-Mail
info@montessori-hofheim.de
Anzahl der Schüler/innen
200
Anzahl der Lehrer/innen
17
Sonstiges pädogogisches Personal
10 pädagogische Mitarbeiter/nnen
Ansatz der Schule

Montessori; Integration

Zeitstruktur

7.50–12.45 Uhr: Klassen 1–3 7.50–14.15/15.55 Uhr: Klassen 4–10 7.50–8.20 Uhr: offener Beginn; 8.20–9.50 Uhr: Freiarbeit 9.50–10.15 Uhr: Pause; 10.15–11.45 Uhr: fachgebundener Unterricht Nachmittagsbetreuung bis 17 Uhr

Programme der Schule

SINUS Hessen; Comenius

Wettbewerbe der Schule

Kinder zum Olymp (mit 2 Projekten)

Sozialraum der Schule

Vorort von Frankfurt/Main

Besonderheiten

gemeinsamer Unterricht

Referenzen

Das Projekt hat erfolgreich am 1. Ganztagsschulwettbewerb „Zeigt her eure Schule“ teilgenommen.

Autoren

  • Dr. Jörg Boysen