Ganztagsschule mit Lernzeit

Die Regionale Schule Am Burgwall auf der Insel Rügen zieht von jeder ihrer Unterrichtsstunden fünf Minuten ab. Die damit gesammelte Zeit wird in Form von „Lernzeit“ an die Schülerinnen und Schüler zurückgegeben. In Vorbereitung der Neugestaltung von Unterricht wurde in einem ersten Schritt der Blockunterricht eingeführt. Dieser dauert jetzt 80 statt 90 Minuten. 

Für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung hat das pädagogische Team um Schulleiterin Elke Laue Fortbildungen belegt und Beratung in Anspruch genommen. Jenaplan und kooperatives Lernen wurden thematisiert und fanden seitdem Einzug in die Blöcke. „Hoffentlich hat das mal ein Ende!“, meint Erik (6. Klasse) nach knapp vier Wochen, denn er möchte ab und zu auch mal wieder „Frontalunterricht“. Von dieser Reaktion war das Kollegium überrascht und bietet seitdem einen Methoden-Mix. Jetzt wird einfach abwechslungsreich gelernt. Lernstoff wird dahingehend beurteilt, inwieweit die Schülerinnen und Schüler selbstständig damit umgehen können oder ob zunächst eine Wissensvermittlung stattfindet.


Der Tages- und Wochenablauf gestaltet sich über einen sinnvollen Wechsel von Fächern mit vor allem kognitiven Anforderungen und Fächern mit handlungsintensiven, produktiven und kreativen Tätigkeiten. So wird tatsächlich darauf geachtet, dass Hauptfächer wie Mathematik, Deutsch und Englisch nicht an einem Tag in den Blöcken zu finden, sondern vielmehr über die Woche verteilt sind und im Wechsel mit Musik, Sport, Kunst, GTS-Angeboten oder eben der Lernzeit im Stundenplan stehen. So zu planen versteht Schulleiterin Laue als Qualität von Ganztagsschule.

Gewachsenes Partnernetzwerk

Die Garzer Schule geht mit einem guten Erbe von der offenen in die teilgebundene Ganztagsschule. Denn Schritt für Schritt hat sich durch die offen zu gestaltende Ganztagsschule ein Partnernetzwerk um und durch die Schule gebildet. Jetzt heißt es: „... man kennt sich“. Die Zusammenarbeit steht auf „festen Füßen“. Die etablierten Angebote sind der Grund für den Übergang in die teilgebundene Ganztagsgestaltung. Die Partner kommen seit diesem Schuljahr auch am Vormittag in die Schule. Schon gegen 10 Uhr freuen sich Sandra und Marvin auf ihre selbst gewählten Kurse wie z.B. Gärtnern, Nordic Walken, Schneidern oder Musizieren und finden damit Ausgleich zum fachlichen Lernen. „Mit der Rhythmisierung steigern wir nicht nur Motivation. Durch den Wechsel von An- und Entspannung steigern wir zusätzlich das Leistungsvermögen unserer Kinder.“ resümiert Schulleiterin Laue.

Dynamische Förderplanung!

Nicht nur die Angebote lockern den Schulalltag auf, sondern auch die Lernzeit. Nach Jenaplan arbeiten die Kinder selbständig an Aufgaben, mit der Chance auf Hilfen zuzugreifen und gezielt gefördert zu werden. Da jedes Fach Zeit abgegeben hat, kann die Lernzeit nach Bedarf, aber auch für jedes Fach in Anspruch genommen werden. Für die Ausgestaltung ist das Jahrgangsteam verantwortlich. Alle vier Wochen treffen die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer die Entscheidung darüber, mit welchen Schwerpunkten die Schülerinnen und Schüler in der Lernzeit beschäftigt sind. Zeigen sich z.B. Förderbedarfe in Englisch, dann wird darauf fokussiert. Alle vier Wochen erhalten die Schülerinnen und Schüler neues Material. Unterteilt in Pflicht- und Wahlaufgaben können sie je nach Anlage und Interessen mehr oder weniger bzw. die oder andere Aufgaben lösen. Meistens verstehen sich die Aufgaben als Hinführung zu einem Test. Die erfolgreichen Lösungen sind Grundlage für das gute Abschneiden bei einer Klassenkontrolle. Weil während der Lernzeit die Klassenleiterin oder Mitschülerinnen und Mitschüler Hilfen geben können, kann jeder die Chancen nutzen, um zu üben und seine Leistungen noch zu steigern. Dafür machen die Lehrerinnen und Lehrer die Bewertungskriterien transparent. Der rote Faden findet sich in einem „Lernzeit-Ordner“. Nach Inhaltsverzeichnis sind dort die Aufgaben eingeheftet und werden „abgezeichnet“, wenn diese erledigt sind.

Die Lernzeit ist kein Hausaufgabenersatz sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung des unterrichtlichen Lernens. Das dabei nicht auf eine standardisierte Lernstoffverteilung zurückgegriffen wird, zeichnet das pädagogische Team der Schule aus. Der Fall, dass eine Klasse vor allem in einem Fachgebiet aufholen muss, führt nicht dazu, dass andere Fachkollegen verstimmt reagieren, vielmehr zählt die Lernsituation der einzelnen Klasse. Die dynamische Förderplanung beruht auf Teamarbeit, die Lernzeit selbst wird von den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern betreut und schafft zusätzlich Raum für eine intensive Begleitung auch in Bezug auf Entwicklungsförderung. In der Lernzeit soll neben Fachkenntnissen vor allem Lernkompetenz entwickelt werden. Mit der selbstständigen Arbeit erkennen und erleben sich die Schüler als unterschiedlich Lernende und richten sich entsprechend ein. Die begleitenden Lehrkräfte orientieren sich an Beobachtungen und beraten ihre Schülerinnen und Schüler. Schriftliche Hausaufgaben gibt es einfach nicht mehr. Einprägen – mündliches Lernen- bleibt und muss je nach Lerntyp zu Hause erledigt werden.

Was die Schule sonst noch auszeichnet


Sozialtraining

Neben der Lernzeit ist ein „Sozialtraining“ Pflichtprogramm. Verantwortliche Kerstin Bohn bezieht sich auf die Methoden von Franz Petermann und belegt als Sozialpädagogin mehrer Blöcke in der Stundentafel. Als enge Begleiterin von Schulleiterin Elke Laue sorgt sie sich um das Schulklima der Ganztagsschule. Mit ihr wird das soziale Lernen organisiert und umgesetzt. Je nach Bedarf und Klassenstufe variiert sie ihren Einsatz. Sie moderiert das „Sozialtraining“ und begleitet ihre Schülerinnen und Schüler beim „Erwachsen werden“.

Supervision und Einzellfallberatung

Nahezu jeden Freitag steht Schulleiterin Elke Laue eine Schulpsychologin zur Seite. Mit ihr arbeitet sie Probleme von Schülerinnen und Schülern auf. Viele ihrer Schützlinge kommen aus komplizierten Verhältnissen. Darüber hinaus hat ihr pädagogisches Team die Chance, Supervision in Anspruch zu nehmen.

Kollegiale Hospitation

Untereinander pflegen die Lehrerinnen und Lehrer kollegiale Hospitation. Vor fünf Jahren wurde diese Methode zur Qualitätsentwicklung eingeführt und hat sich etabliert.

Ein Beitrag von Dr. Sabine Schweder


Datum: 26.09.2011
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