Wie man Schulen zum Glänzen bringt

Acht Schulen werden beim vierten Wettbewerb "Zeigt her eure Schule" für Projekte ausgezeichnet, in denen Schülerinnen und Schüler, Eltern und Kooperationspartner vorbildlich beteiligt sind. Die Projekte sind so unterschiedlich wie die Schulen aus ganz Deutschland. Doch in jeder von ihnen steckt ein besonderes Glanzlicht.

Eine Reportage von Christine Plaß

Würde Angela Merkel jetzt aus dem Bundeskanzleramt schauen, böte sich ihr ein fröhliches Bild: Schülerscharen ziehen in den Tiergarten, um sich noch ein wenig die Beine zu vertreiben. Vor dem Tipi Veranstaltungszelt steht der 17jährige Adrian Adolphs auf einem Stein und spricht in einen Kuli, der gerade als Mikro herhalten muss. Es ist der Morgen des 27. Mais, eine Stunde vor der Preisverleihung im Wettbewerb "Zeigt her eure Schule". Die Schüler sind ein bisschen aufgeregt, die Lehrer erst recht, nicht nur, weil sie Eva Luise Köhler, der Gattin des Bundespräsidenten und Schirmherrin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), von ihrem Projekt erzählen werden. Sie werden auch eine aktive Rolle während der Preisverleihung spielen - passend zum Motto des Wettbewerbs, das in diesem Jahr "Beteiligung. Gemeinsam gestalten" heißt.

Einen Tag lang haben sie sich darauf vorbereitet. Gemeinsam gestalten ist schön, aber auch ganz schön anstrengend, haben einige gedacht, als sie nach Kennenlernen der anderen, Diskutieren, Ergebnisse präsentieren, Spreefahrt und Abendessen todmüde in ihre Betten fielen. Wettbewerbskoordinator Jürgen Bosenius von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) räumt ein: "Wir haben den Schulen in diesem Jahr so viel abverlangt wie noch nie."

Vorbild für viele Menschen in Deutschland

Allein um die Wettbewerbsunterlagen einzureichen, dokumentierten die Schulen ein halbes Jahr lang ihre Erfolge und Misserfolge, beschrieben erreichte Etappen und neue Ziele. Den eingereichten Mappen mit Fotos und handschriftlichen Eintragungen aller  Beteiligten, mit bunten Materialien und beeindruckenden Arbeitsergebnissen sieht man den Aufwand an, der damit verbunden war. Aber sie zeigen auch, welche Höhen und Tiefen es gab, wann Umwege nötig wurden und welche Wendungen die selbst gewählten Projekte nahmen. So zum Beispiel bei der Ganztagsschule Johannes Gutenberg in Wolmirstedt, wo Schülervertreter die Lernatmosphäre verbessern wollten und erst einmal alle Schüler fragten, was es braucht, damit sie sich wohler an ihrer Schule fühlen. Eine neue Turnhalle!, war das einhellige Ergebnis, doch ausgerechnet die ließ sich nicht realisieren, weil das Land Sachsen-Anhalt kein Geld dafür bereit stellte.

Da beschlossen die Schüler, lieber die Dinge zu verändern, die sie selbst in der Hand hatten, und sorgten gemeinsam für saubere Toiletten. Andreas Storm, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, der sich gemeinsam mit Eva Luise Köhler viel Zeit nimmt, um die Preisträger kennen zu lernen, zeigt sich von diesem Beispiel besonders beeindruckt. Diese Haltung brauche es nicht nur in Schulen, sondern an vielen anderen Stellen in unserem Land, ist er überzeugt. Wer aber glaubt, dass die Politiker damit aus ihrer Verantwortung entlassen wären, für angemessene Schulgebäude zu sorgen, der kennt die Schüler der Ganztagsschule Johannes Gutenberg schlecht: "Natürlich kämpfen wir weiter wie die Löwen für unsere Turnhalle", verspricht Schülervertreterin Sabine Maier.

Auch die Schüler der Janusz Korczak Gesamtschule in Gütersloh denken schon an Morgen. Ihre Idee für den Wettbewerb war es, die Schulordnung umzuschreiben und ihren Mitschülern auf spannende und im Gedächtnis bleibende Weise zu vermitteln. Dazu haben sie eine Reihe von Ideen ersonnen, ein Quiz für die Kleinen und ein Fotowettbewerb für die Älteren sind nur zwei davon. Stolz präsentiert Sozialpädagoge Frank Kahle-Klusmeier die neueste Idee: Auf einem Zettel, den ihm die Schüler gerade zugesteckt haben, ist ein T-Shirt zu sehen, bedruckt mit den 28 Worten der neuen Schulordnung. So wird die Schulordnung zukünftig im wahrsten Sinne des Wortes getragen von allen. Jürgen Bosenius freut sich ganz besonders darüber zu sehen, wie die Projekte bereits am Tag der Preisverleihung weitergehen. Es bestätigt die Strategie der Verantwortlichen für den Wettbewerb, bewusst Projekte auszuzeichnen, die nicht beim Einsendeschluss fertig sind: "Wir wollten kein Hochglanzprodukt, das zu Ende ist, wenn die Preise verliehen sind", betont er. Nicht bei allen ausgezeichneten Schulen sei Beteiligung schon fest im Alltag verankert, Schule als Polis ist noch mehr Idee als Wirklichkeit, räumt Bosenius ein. Preiswürdig seien sie trotzdem, weil ihre Projekte ganz genau zeigten, wie sie sich auf den Weg gemacht haben. Wie Schüler, Eltern, Lehrer und Kooperationspartner gemeinsam angefangen haben zu überlegen, was für eine Schule die ihre sein soll.

Und dann geht es los mit der Preisverleihung. Das Publikum hat an kleinen Tischen im Tipi Platz genommen, Heike Kahl, die Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung betont, welch hohes Gut es ist, wenn Teilhabe unterstützt wird. In ihrer eigenen Schulzeit in der DDR gab es für die Eigeninitiative von Schülern nicht selten mehr Tadel als Anerkennung. Ganz besonders freut sie sich darüber, dass die Schulen so mutig waren, die Jury ganz tief in die Töpfe gucken zu lassen. Nicht nur die Höhenflüge, auch die Stolpersteine wurden dokumentiert. In den vier Jahren, seit denen die DKJS mit dem Programm "Ideen für mehr! Ganztägig lernen." Schulen begleitet, hat Heike Kahl gelernt: "Partizipation ist immer ein Prozess, der nur dann gut funktioniert, wenn er Dinge verstetigt und es dennoch schafft, flexibel zu bleiben. Wie Beteiligung ausgestaltet ist und ob sie sich im Laufe der Zeit verändern soll, muss mit allen Beteiligten verhandelt werden." Dann stellen sich die Schulen gegenseitig vor und berichten, was sie voneinander gelernt. haben. Die Schüler von der Diesterweg-Schule hat beeindruckt, dass die Elftklässler der Gesamtschule Kaiserplatz ihre Freizeit opfern um Fünftklässlern in Englisch zu helfen. Auch an der Diesterweg-Schule gibt es Lesescouts. Sie haben sich jetzt inspirieren lassen, "das noch aktiver durchziehen". Die Grundschule am Albertschacht aus Freital-Wurgwitz und die Osterfeldschule aus Unna haben eine Schulpartnerschaft begonnen und werden sich auch nicht von den paar hundert Kilometern zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen abhalten lassen.

Ein Glanzlicht in jeder Schule

Karin Babbe von der Erika-Mann-Grundschule aus Wedding nimmt die Erkenntnis "Partizipation macht Spaß" mit an ihre Schule. Die Schulleiterin ist Sprecherin der zehnköpfigen Jury und war von der die Vielfalt der Beispiele beeindruckt, die am Wettbewerb teilgenommen haben. Angesichts der vielen Schulformen und der ganz unterschiedlichen Projekte entschied sich die Jury dafür, kein Ranking zu erstellen, sondern allen Schulen ein Preisgeld von 3000 Euro zu überreichen. "In jedem Projekt steckt ein Glanzlicht, wir wollten uns nicht anmaßen zu entscheiden, welches Licht heller leuchtet", so Babbe.

Eva Luise Köhler und Staatssekretär Andreas Storm gaben sich die Ehre, die Schulen zu würdigen und ihnen die Urkunden samt Preisgeld zu überreichen. Eva Luise Köhler erzählt, wie sie vor ein paar Tagen einen Brief bekommen hat. Darin schreibt eine Großmutter, wie wohl sich ihre fünf Enkel in einer Schule gefühlt haben, die die Schirmherrin der DKJS heute auszeichnet. Andreas Storm vom BMBF greift das Bild vom Glanzlicht auf und bittet die Schulen, wie Leuchttürme zu blinken, um anderen Schulen zu zeigen, welche positiven Auswirkungen es hat, wenn der Wind der Beteiligung die Schulen erfasst.


Gleich drei Schulen aus Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, Nordrhein-Westfalen, sind unter den Preisträgern. Herbert Boßhammer von der Serviceagentur  "Ganztägig Lernen" in NRW hat sie begleitet. Für ihn ist Partizipation an Ganztagsschulen einfach unerlässlich: "Wenn Schüler den ganzen Tag in der Schule verbringen, kann es nicht sein, dass vormittags die Lehrerin und nachmittags die Erzieherin die Bestimmerin ist, und die Schüler nur darüber entscheiden dürfen, ob sie lieber Fußball oder Handball spielen wollen", ist Boßhammer überzeugt. Im Sommer wird seine Serviceangeur eine Akademie zum Thema veranstalten, Partizipiation ist gerade ein großes Thema für die Schulen in NRW.

Baustellen erwünscht


Staatssekretär Andreas Storm

 

Und wieder lohnt ein Blick aus dem Bundeskanzleramt. Die frisch gebackenen Preisträger streben nach draußen, lassen sich Schnitzel und Kartoffelsalat, Kaffee und Kuchen schmecken. An einem Tisch geht es besonders fröhlich zu, dort hat sich die Bundestagsabgeordnete Elke Ferner zu ihren Landsleuten gesellt, man plaudert saarländisch platt. Ferner hat extra einen Termin verschoben, um schnell vom Deutschen Bundestag herüber zu kommen und der Erweiterten Realschule Klarenthal zu gratulieren. Die führt gerade einen zermürbenden Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie für die ökologische Umgestaltung ihres Schulhofes. Für Blumenwiesen, Kleintiergehege und Freiluftklassenzimmer. "Ich werde mich mal umhören, wo es genau hakt, und mit den Verantwortlichen vor Ort sprechen, wie man unkonventionellere Wege gehen kann", verspricht Elke Ferner.

Eine, für die der Wettbewerb bereits vor der Preisverleihung ein Hauptgewinn war, ist Anja Durdel, Programmleiterin von "Ideen für mehr! Ganztägig lernen." 120 Schulen haben sich beim Wettbewerb engagiert. Die eingereichten Bewerbungsunterlagen zeigen, welche Themen sie gerade bewegen und wo sie Unterstützung brauchten. Anja Durdel und ihre Kollegen haben dabei viel über den Alltag an Schulen erfahren. "Wir lernen bei jedem Wettbewerb. Wo sind die Fragen der Schulen? Worauf sind sie stolz? Was brauchen sie an Unterstützung? In diesem Jahr ist es uns am besten gelungen, an die Baustellen heranzukommen", berichtet Durdel. Besonders freut sie, wie in diesem Jahr auch bei der Preisverleihung die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt standen. Sie weiß aus Gesprächen mit Schulen, dass das Thema Partizipation lange unterschätzt wurde. Leider. „Wenn wir uns nicht um das Thema Beteiligung kümmern, werden wir unsere Unterrichtsprobleme nicht lösen", zitiert Durdel die Schulpädagogin Ursula Drews.

Der Wettbewerbsbeitrag der Gesamtschule Kaiserplatz in Krefeld ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Beteiligung von Schülern den Unterricht und die Leistungen verbessert. Aus 40 verschiedenen Grundschulen rekrutiert die große Gesamtschule ihre fünften Klassen. Dabei ist es kein Wunder, wie unterschiedlich die Vorkenntnisse im Fach Englisch sind. Nicht wenige Schüler in den unteren Klassen drohen trotz Förderkursen den Anschluss zu verlieren. Bei einer Sitzung der Schülervertreter kam die Idee auf, dass die Älteren den Jüngeren helfen können. Seitdem steht einmal pro Woche je ein Schüler der 11. Klasse einem Schülern der 5. Klasse als Lerncoach in Englisch zur Seite. Eine Referendarin stellt selbst erarbeitetes Lernmaterial zur Verfügung und begleitet das Projekt. Außerdem ließ sie Eingangs- und Abschlusstests schreiben, die ergaben: Alle Fünftklässler hatten sich verbessert, manche sogar ganz erheblich. Dass der Extra-Förderunterricht in der 8. Stunde auch noch Spaß machte, und zwar allen Beteiligten, war dabei kein Hindernis. Schulleiterin Brigitte Mosch unterstützte das Projekt "Schüler helfen Schülern" von Anfang an. Aber Mosch lernte auch, Verantwortung abzugeben: "Wenn man alles selbst in der Hand behalten will, schafft man gar nicht so viel. Nur wenn man loslässt, können sich viele Dinge entwickeln." Für das Preisgeld wollen sie handlungsorientierte Materialien erwerben, mit denen die älteren die jüngeren Schüler nicht nur in Englisch, sondern auch in anderen Fächern fördern können. Wenn man nämlich einmal damit anfängt, alle, die es betrifft, an Schulentwicklung zu beteiligen, dann zieht das immer weitere Kreise. Beim Ganztagsschulkongress im September 2008 werden alle acht Schulen noch einmal nach Berlin kommen, um davon zu berichten und die Möglichkeit zu ergreifen sich mit anderen Teilnehmern zu Ideen, Stolpersteinen und Erfahrungswerten auszutauschen.

Datum: 4.06.2008
Text: Christine Plaß
© www.ganztaegig-lernen.de