Mehr Zeit und Raum für künstlerisch-kreatives Lernen

DKJS/ D. Ibovnik
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Laut Jugend- KulturBarometer haben sich knapp zwei Drittel der jungen Leute während ihrer Schulzeit mindestens einmal – ob punktuell oder kontinuierlich sei dahingestellt – an einer künstlerischen Schul-AG oder einem Schulprojekt beteiligt. Betrachtet man die künstlerischen Inhalte der Schul-AGs und Projekte (vgl. Übersicht 5) im Vergleich zu den im Jugend-KulturBarometer abgefragten künstlerischen Freizeitaktivitäten, zeigen sich teilweise deutliche Differenzen. Musik ist deutlich stärker im Freizeitbereich vertreten, die Darstellende Kunst – hier Theater spielen und tanzen – dagegen im schulischen Angebot. Die Gründe hierfür liegen in den je nach Sparte unterschiedlichen Gegebenheiten im schulischen und außerschulischen Kontext, die nachfolgend noch im Detail diskutiert werden. Der Ganztagsbereich schafft hier teilweise neue Konditionen, die dazu führen können, dass Angebote einzelner künstlerischer Sparten künftig leichter in das schulische Umfeld integriert werden können.

Zentraler Faktor ist die Zeit

Ein zentraler Faktor bei der Integration künstlerischer Angebote ist die Zeit. Die Vorbereitung einer künstlerischen Gruppendarbietung kann sehr zeitintensiv sein, will man die Schülerinnen und Schüler bestmöglich vorbereiten und gleichzeitig deren künstlerische Fähigkeiten adäquat fördern. Mehr Zeit ist natürlich in der Ganztagsschule gegeben, sie muss jedoch sinnvoll strukturiert werden. Auf der einen Seite gibt es bei einer stärkeren Einbindung kultureller Bildungsangebote Langzeitprojekte, die besonders für eine jahrgangsübergreifende Realisierung geeignet sind, da künstlerische Begabungen und Vorkenntnisse einzelner Schüler in der Regel nicht altersspezifisch sind. Auf der anderen Seite bestehen zahlreiche punktuelle Projektmöglichkeiten, nicht zuletzt mit Theatern, Museen oder Orchestern vor Ort.

 

Bisherige Teilnahme an künstlerischen Schul-AGs bei den 14- bis 24-Jährigen und speziell denjenigen, die schon einmal eine Ganztagsschule besuchten, in Deutschland. Entnommen aus dem Jugend-KulturBarometer ZfKf/GfK 2004

Erste Beobachtungen zeigen, dass sich hier die curriculare Einbindung punktueller Angebote im Unterricht bewährt, so dass das sinnliche Erleben – etwa ein Museumsbesuch – den Wissensstand im Unterricht sinnvoll ergänzt. Neben der Koordination punktueller und langfristiger Bildungsangebote müssen für einige Disziplinen auch freie Übungszeiten einkalkuliert werden, in denen zum Beispiel das Auswendiglernen von Texten oder das Einüben eines Musikstücks erfolgen kann. Das heißt, dass auch individuelle Freiräume für einzelne Schüler und Schülergruppen geschaffen werden müssen. Ein wesentlicher Punkt ist hierbei die derzeit viel diskutierte neue Rhythmisierung von Schule, die nicht nur den 45-Minuten- Takt aufbricht, sondern – zumindest in gebundenen Ganztagsschulen– künstlerische und andere Freizeitangebote auch im bisher dem Regelunterricht vorbehaltenen Vormittag etabliert.

Eltern entscheiden

Bei der Schaffung kultureller Angebote sollten individuelle Neigungen der Schülerschaft beachtet und – soweit möglich – nicht nur ein Angebot für alle eingeführt werden. Einen tragfähigen Ansatz hierzu bieten die Musikklassen: Hier entscheiden sich Eltern und Schüler zu Beginn der Einschulung oder bei einem Stufenwechsel, inwieweit sie eine intensivere musikalische Förderung wünschen. Vorteilhaft ist natürlich auch ein Schulangebot, das die Wahl zwischen einzelnen Sparten ermöglicht. Alternativ können spartenübergreifende Projekte realisiert werden. Eine geeignete Form bieten Musicals, die Musik, Schauspiel, Text, Bühnentechnik, Tanz, Kostümbildnerei etc. zusammenführen. Grundvoraussetzungen für das Etablieren kultureller Bildungsangebote sind das Vorhandensein geeigneter Räumlichkeiten – etwa Bühnen – und Materialien wie Malutensilien, Instrumente, Tontechnik, die oftmals nicht nur angeschafft und gepflegt, sondern vielfach auch versichert werden müssen.

Vom Wert des Ganzen

Spannend wird es, wenn interdisziplinäre Schulprojekte nicht nur künstlerische Gestaltungsformen, sondern auch praktische und handwerkliche Tätigkeiten einbeziehen. Das Literaturprojekt „Carla-Chamäleon- Nordstadt-Buch“ etwa förderte nicht nur kreatives Schreiben, sondern machte die Kinder auch mit Prozessen der Buchherstellung vertraut. Auch das noch vorzustellende Western-Filmprojekt spricht literarisch und musisch begabte Schüler ebenso an wie technisch versierte. Von der sehr fruchtbaren interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Künsten und Neuen Medien zeugte das Bund-Länder-Programm „Kulturelle Bildung im Medienzeitalter“ (kubim).

„Kulturelle Bildung hat immer schon und vor allem ihren gesellschaftlichen Ort in der Schule. Alles Spätere ist ein Zehren von den hier angelegten Ressourcen an Anregungen, vermittelten Kenntnissen, verinnerlichter Freude am Sich-Aneignen von Schönem und Gutem. Schule erstellt und entwickelt in Abhängigkeit vom Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung Kriterienkataloge, um das Schöne und Gute vom Gegenteil zu unterscheiden. Da sie in der Umsetzung jeweils etwa eine Generation hinter der Avantgarde zurückbleibt, eröffnet sie der nachwachsenden Generation zugleich die Möglichkeiten, sich vom kulturellen Konsens zu distanzieren und eigene Überlebens-Strategien zu entwickeln. Auch das ist ein nicht unerwünschtes Ergebnis der Vermittlung von Kultur-Techniken."

 

Von: Dr. Siegfried Gauch

Datum: 11.03.2009
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