Lernen und entspannen

Bundesland

  • Hessen

Schüler/innen des Schuldorfs Bergstraße, die an der Hausaufgabenbetreuung teilnehmen, stimmen sich mit Entspannungsübungen, Konzentrationstechniken oder Bewegungsspielen ein

Projektdaten

Klassenstufen: 5-13
Anzahl der Schüler/innen: ca. 500
Anzahl der Lehrer/innen: 1
Fachbereiche: alle
Wochenstunden: 10
Das Projekt

In Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt ist es gelungen, eine Konzeption für die Hausaufgabenbetreuung zu entwickeln, die über bloßes Aufbewahren und Kontrollieren weit hinausgeht: Neben der Vermittlung von Fachwissen und Methodenkompetenz können Schüler/innen der Klassen 5–10 Sozial- und Erholungskompetenzen entwickeln. Die Teilnahme der Oberstufenschüler/innen bei der Durchführung der Hausaufgabenbetreuung trägt wesentlich zur Verwirklichung der pädagogischen Ziele bei. Der rhythmisierte Hausaufgabenbeginn bindet freizeit- und entspannungspädagogische Elemente in das Konzept ein. Zunächst erproben alle Schüler/innen zu Beginn des Schuljahres die verschiedenen Gruppen zur Entspannung oder Konzentration. Später wählen sie sich ihren Neigungen entsprechend in die verschiedenen Gruppen ein (Entspannung: Fantasiereisen, Ausruhen bei Entspannungsmusik, Geschichten vorlesen; Konzentration: Tai-Chi, Qigong, Yoga; Bewegung: Bewegungsspiele, Tanzen, Ballspiele). Mit der Teilnahme am rhythmisierten Hausaufgabenbeginn haben die Schüler/innen die Möglichkeit, ihren eigenen Rhythmus von Spannung und Entspannung kennen zu lernen. Sie kommen zu einem Sitzkreis zusammen. Mit Hilfe eines Sprechsteins teilen sie und die Betreuer/innen der Gruppe mit, wie es ihnen geht. So wissen die Betreuer, wer besondere Zuwendung braucht, die Schüler lernen, über ihre Gefühle zu sprechen, und sie erleben auch bei den Betreuern unterschiedliche Befindlichkeiten. Ein Schwerpunkt für das Schuljahr 2004/2005 ist das so genannte Wopla-Training, ein zielorientiertes Wochenplantraining ab der 7. Klasse. Die Entwicklung eines Schuljahresziels ist Voraussetzung zur Führung des Wopla-Heftes. Neben einer täglichen Dokumentation (Was habe ich heute getan, um mein Ziel zu erreichen? Welches Teilziel will ich erreichen?) lernen die Schüler/innen Methoden wie Visualisieren und Affirmationen. Zudem erhalten sie noch theoretisches Wissen über die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns. Einmal im Monat werten die Schüler/innen ihre Dokumentation aus. Die pädagogische Nachhaltigkeit des Wopla-Trainings besteht in der Entwicklung des Bewusstseins über das eigene Lernverhalten. Das Wopla-Training absolvieren alle Schulzweige gemeinsam. Es findet zu Beginn des Schuljahres jeden Tag, nach drei Monaten noch zweimal in der Woche während des rhythmisierten Hausaufgabenbeginns statt. Die Oberstufenschüler/innen assistieren der Leiterin der Betreuungsangebote zunächst beim Wopla-Training, nach etwa drei Monaten sind sie in der Lage, das Training selbstständig anzuleiten.

Der Auslöser

Im Sommersemester 2003 und im Wintersemester 2004 wurde an der Technischen Universität Darmstadt ein Praxisseminar mit dem Titel „Auf dem Weg zur Ganztagsschule“ angeboten, das in Kooperation mit dem Schuldorf Bergstraße entstanden ist. Die Studierenden bewegten sich in diesem Seminar im Spannungsfeld von Erfahrung und Theorie: Einerseits erforschten sie konkrete Schulwirklichkeit im Schuldorf Bergstraße, andererseits wurde durch die Erarbeitung von theoretischen Texten im Dialog die Schulwirklichkeit überprüft. Im Zentrum der Untersuchung stand die Hausaufgabenbetreuung. Die Konzeption der Schulung für die Oberstufenschüler/innen ist im Schuljahr 2002/2003 entwickelt und eingeführt worden. Unter der Anleitung der Leiterin der Betreuungsangebote haben die Studierenden die Konzeption überprüft und für die neuen Bedürfnisse überarbeitet. Die neue Schulung wurde im September 2003 gemeinsam mit Studierenden zum ersten Mal umgesetzt. Eines der wichtigsten Ergebnisse aus der Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt ist der rhythmisierte Hausaufgabenbeginn.

Der Weg

Reformpädagogische Bewegungen und Offenheit gegenüber innovativ-pädagogischen Ansätzen prägen seit Eröffnung des Schuldorfes Bergstraße im Jahre 1954 das Klima vor Ort. Deshalb hat sich seit langem eine fest verankerte Tradition von Ganztagsangeboten entwickelt. Dazu gehörte in den letzten Jahren vor allem die Ausweitung der Ganztagsbetreuungsangebote, besonders die Professionalisierung der Hausaufgabenbetreuung wurde in den Fokus genommen. Schon mit Einführung der Hausaufgabenbetreuung vor rund zehn Jahren waren es Oberstufenschüler/innen, die die Betreuung der jüngeren Schüler/innen übernahmen. Mit der Eröffnung des Betreuungszentrums im Schuljahr 2002/2003 wurde auch eine pädagogische Schulung für die Oberstufenschüler/innen eingeführt. Die Schulungen finden mindestens zweimal im Schuljahr statt und sollen auf Krisensituationen und den rhythmisierten Hausaufgabenbeginn vorbereiten. Seit diesem Schuljahr geben auch die Oberstufenschüler/innen ihre Erfahrung und ihr Wissen an die „Neuen“ weiter. Sie übernehmen unter Anleitung Schulungsmodule wie beispielsweise Freizeitpädagogik, Entspannungspädagogik oder Methodenlernen. Das in den Schulungen erlernte Wissen wenden die „neuen“ und die „alten“ Oberstufenschüler/innen praktisch in der Hausaufgabenbetreuung an. Sie werden von den Teamleiter/innen, d.h. den erfahrenen Oberstufenschüler/innen, und von der Leiterin der Betreuungsangebote begleitet und beraten. Die wöchentliche Teamsitzung hilft, Unsicherheiten zu reflektieren und abzubauen. Im zweiten Schulhalbjahr gibt es eine zweite Schulung, in der die Erfahrungen evaluiert und das pädagogische Wissen gefestigt werden. Durch die Schulungen, die Praxis in der Hausaufgabenbetreuung und den fortwährenden Austausch werden die Oberstufenschüler/innen in die Lage versetzt, pädagogische Inhalte zu verwirklichen. Die Entwicklung von Sozialkompetenzen wird vermittelt durch Gruppenratssitzungen mit verbalem Austausch von Kritik, Arbeit an Konfliktlösungen und den Umgang mit der eigenen Gefühlswelt in gruppendynamischen Prozessen. Die Gruppensprecher/innen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Im Trainingsraum können Disziplinerfahrungen ritualisiert werden, in der Schulung der Eigenverantwortlichkeit entwickelt sich ein demokratisches Bewusstsein. Der Sitzkreis dient der Verbalisierung von Gefühlen, und durch Lernverträge machen sie die Erfahrung von eigenverantwortlichem Lernen. Fach- und Methodenkompetenz wird durch Hausaufgaben und deren Kontrolle, Einzelbetreuung, die Vorbereitung auf Klassenarbeiten, Lernverträge, das Wopla-Training und ein einheitliches Hausaufgabenheft vermittelt.

Probleme und Lösungen

Es ist nicht immer leicht, den rhythmisierten Hausaufgabenbeginn umzusetzen. Besonders für die Hausaufgabenbetreuer/innen ist die Verweigerungshaltung mancher Schüler/innen schwer auszuhalten. Denn die empfinden die alternativen Entspannungs- und Konzentrationsübungen am Anfang oft sehr fremd und wollen sich am liebsten entziehen. Aber nach einiger Zeit erfahren sie die wohltuende Wirkung des rhythmisierten Hausaufgabenbeginns am eigenen Leib und integrieren im eigenen Interesse die Übungen vor den Hausaufgaben. Und für die Hausaufgabenbetreuer/innen ist die Erfahrung, dass ein adäquater Umgang mit Widerständen zum pädagogischen Arbeiten gehört, sehr wichtig. So können sie lernen, ihre spezifische Führungspräsenz zu entwickeln und umzusetzen.

Blitzlicht

Ein Vater sinngemäß während eines Radio-Interviews: „Mein Sohn hat sich positiv verändert, er engagiert sich für seine Mitschüler, und ich merke, dass er um einiges ausgeglichener und zufriedener geworden ist.“

Schule
Schulname
Schuldorf Bergstraße
Schulart
Kooperative Gesamtschule mit Oberstufe
Schulangebote
teilgebunden
Schulanschrift

Schuldorf Bergstraße 64342 Seeheim-Jugenheim

E-Mail
sbs@schuldorf-bergstrasse.de
Anzahl der Schüler/innen
1550
Anzahl der Lehrer/innen
120
Sonstiges pädogogisches Personal
8
Ansatz der Schule

Konzept für professionelle Hausaufgabenbetreuung: Rhythmisierung, Entspannungsphasen, Methodentraining, Raum der Stille, pädagogische Schulung von Oberstufenschüler/innen, Teilnahme der Schüler/innen an Entwicklung und Umsetzung

Zeitstruktur

7.40–12.50 Uhr: Regelunterricht 12.50–14.10 Uhr: aktive Mittagspause 13.30–15.30 Uhr: rhythmisierte Hausaufgabenbetreuung 14.10–15.40 Uhr: Nachmittagsunterricht, AGs, gebundene Förderangebote, zum Teil bis 18 Uhr

Netzwerke der Schule

Umweltschule in Europa

Programme der Schule

Europaschule

Sozialraum der Schule

Öffnung zur Gemeinde; Dorf-/Campuscharakter der Schule

Besonderheiten

familienfreundliche Schule; internationaler Zweig ab 2005

Referenzen

Das Projekt ist Preisträger des 1. Ganztagsschulwettbewerbs „Zeigt her eure Schule“ und gehört zu den 10 besten Beiträgen.<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />

Autoren

  • Ziva Mergenthaler

Themen